Goldstück: Roman (German Edition)
in der Klinik vorbeizuschauen, um zu fragen, ob da zufälligerweise gerade dreißigjährige Frauen gesucht werden, die sich gegen jede Menge Bares mit einem Medikamentencocktail vollpumpen lassen wollen. Nachdem ich mich in meine halbwegs seriöse schwarze Hose gezwängt und ein frisches T-Shirt angezogen habe, föhne ich mir auch noch die Haare über die Rundbürste. Man will als angehendes Versuchskaninchen schließlich einen gesunden,
gepflegten Eindruck hinterlassen. Ein bisschen Lipgloss, fertig. So, Pharmaindustrie, wenn das kein tolles Angebot ist!
Schwungvoll öffne ich die Tür zum Hausflur – und wäre fast in einen jungen Mann gerannt, der offensichtlich gerade bei mir klingeln wollte. Wir machen beide einen Schritt zurück und starren uns an. Das heißt, er guckt, ich starre. Denn offen gestanden ist dieser Mann wunderschön. Er ist ziemlich groß, hat dunkelbraune, volle Haare und fast schwarze Augen. Anders gesagt: Ein Model steht vor meiner Tür, das aussieht wie Antonio Banderas. Nur in zwanzig Jahre jünger, also mehr der Antonio aus Das Geisterhaus und Die Maske des Zorro , nicht so sehr der Ich-steh-jetzt-unter-der-Knute-von-Melanie-Griffith-Antonio.
»Oh, Entschuldigung«, stammelt er etwas unsicher und macht einen Schritt zurück, »sind Sie Frau Schäfer?«
Wie? Antonio will zu mir? Ich räuspere mich, um den Riesenfrosch zu vertreiben, der sich spontan in meinem Hals eingenistet hat. »Ja, die bin ich.«
»Darf ich reinkommen?«
»Äh, natürlich. Warum nicht?« Ich kann mir zwar selbst nicht so recht erklären, weshalb ich die Tür hinter mir wieder öffne und ihm bedeute, mir zu folgen, schließlich ist er ein Wildfremder und könnte sonst was von mir wollen. Aber sein Anblick hat mein Gehirn offenbar vollständig außer Gefecht gesetzt. Außerdem kann jemand, der sooo gut aussieht, einfach keine bösen Absichten haben, oder?
»Wie kann ich Ihnen denn helfen?«, will ich wissen, als wir in der Wohnung sind.
»Ich bin Daniel Unverzagt«, sagt er und streckt mir seine Hand entgegen, die ich – immer noch komplett gebannt – ergreife und schüttele.
»Hallo«, erwidere ich. Er lächelt mich aufmunternd an. Ich lächele verkrampft zurück. Daniel Unverzagt also. Und jetzt? Sollte mir das etwas sagen?
»Ich weiß, ich bin etwas zu früh dran«, spricht er dann weiter.
Zu früh? Für was?
»Zu früh? Für was?«, wiederhole ich meine Gedanken laut.
Jetzt tritt ein überraschter Ausdruck auf Antonios Gesicht. »Hab ich mich etwa im Datum vertan?«
»Äh«, stottere ich, »ich weiß gerade nicht genau …«
»Moment«, sagt Antonio, »das haben wir gleich.« Er nimmt die Aktentasche, die er unterm Arm klemmen hat, lässt das Schloss aufschnappen, holt ein BlackBerry hervor und schaltet es ein. Sofort spiegeln seine Gesichtszüge Erleichterung wider. »Nein, alles richtig, sehen Sie.« Er hält mir den elektronischen Kalender unter die Nase. »Da steht’s doch. Wochenend-Intensiv-Coaching bei Kirsten Schäfer. Beginn Freitag, vierzehn Uhr, Ende am Sonntag, sechzehn Uhr. Jetzt habe ich gerade tatsächlich gedacht, ich hätte da was durcheinandergebracht!«
Uups. Antonio will doch gar nicht zu mir. Und uups – diesen Termin in Kikis Kalender habe ich offenbar übersehen. Sonst hätte ich ihm abgesagt. Ich muss offenbar gerade einen völlig desorientierten Eindruck machen, denn der junge Mann lächelt milde und schickt mit sanfter Stimme noch eine Erklärung hinterher: »Die Ladentür vorne war verschlossen, da bin ich einfach mal durchs Treppenhaus gekommen. Ich hoffe, das war in Ordnung.«
Dann muss ich ihm jetzt wohl die traurige Wahrheit erzählen. »Ja, also …«, setze ich an, doch er unterbricht mich sofort.
»Wie gesagt, ich weiß, ich bin eine Stunde zu früh. Aber ich dachte, ich zahle schon mal, bevor ich kurz was zu Mittag essen gehe. Ich schleppe nämlich nur ungern so viel Bargeld mit mir herum. Also, wenn es Ihnen passt, lasse ich die sechshundert Euro einfach schon mal da und komme dann später wieder.«
»Wie bitte?«, frage ich nach und sehe im Moment wahrscheinlich ziemlich dämlich aus.
»Äh, sechshundert Euro«, fragt Daniel-Antonio noch einmal nach, »das war doch die Höhe der Seminargebühr, oder?« Ich schnappe laut nach Luft, das gibt’s doch gar nicht! »Passt es Ihnen doch nicht so gut?« Mein Hirn sagt mir, dass ich dieses Missverständnis nun ganz dringend aufklären muss, aber mein Mund, angetrieben von meinem Bauch, tut leider etwas ganz
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