Goldstück: Roman (German Edition)
und macht eine abwehrende Geste. »Ich finde, eigentlich nicht. Gut, ich bin ein Freund klarer Worte, und in unserer Firma gibt es eben viele Mimosen. Aber dass das nun ein Fehler von mir ist …«
Soso. Uneinsichtig ist er auch. Ein schwerer Fall.
»Anders gefragt«, fahre ich fort, »wenn Sie eben ›menschliches Drumherum‹ sagten, was genau meinten Sie damit?«
»Na ja, ich persönlich gehe gerne streng nach Plan vor. Zahlen lügen nicht, wissen Sie? Ich kann meine Mitarbeiter genau an diesen Zahlen messen, finde ich jedenfalls. Aber das passt einigen nicht. Sie werfen mir mangelnde Wertschätzung, sogar mangelnde Spontaneität vor. Das finde ich lächerlich. Auch eine gute Idee muss man durchrechnen. Das hat doch nichts damit zu tun, ob man spontan ist oder nicht.« Daniel Unverzagt guckt so grimmig, als würde er am liebsten mit der Hand auf den Tisch hauen.
Ich überlege einen Moment, was ich ihm antworten könnte. Leider kann ich seine Ausführungen überhaupt nicht nachvollziehen. Ich würde sogar so weit gehen, zu sagen, dass sie mir völlig fremd sind. Aber vielleicht wäre das ein Ansatz. »Ist Ihnen schon einmal der Gedanke gekommen, dass Ihre Mitarbeiter Sie in diesem Punkt nicht verstehen?«
Er lacht auf. »Das merke ich ja tagtäglich. Aber ich begreife nicht, was daran so schwer ist. Objektive Zahlen geben doch auch Sicherheit.«
»Vielleicht ist diese Objektivität nur scheinbar.« Ich versuche es spontan mit der philosophischen Nummer.
Daniel Unverzagt schaut mich völlig kariert an. »Wie meinen Sie das denn?«
Gute Frage. Wie meine ich das? Ich muss schnell einen anderen Weg einschlagen, sonst hat er mich gleich. Die Frage ist nur: welchen Weg? Ich habe nicht die geringste Ahnung, wie es von hier aus weitergehen soll. Super, nach nicht mal fünf
Minuten habe ich mich bereits in eine Sackgasse manövriert, das muss mir erst mal einer nachmachen! Hektisch spiele ich an den Anhängern meines Wunscharmbandes herum und lasse meinen Blick – scheinbar nachdenklich – durch den Raum wandern. In Wahrheit will ich nur Daniel Unverzagt nicht direkt in die Augen blicken, weil ich fürchte, dass er sofort die Panik darin erkennt. Was sage ich nur? Was, was, waaas?
Ich bleibe an Kikis Bücherregal hängen. Handbuch Coaching und Beratung , tja, vielleicht hätte ich doch mal einen Blick reinwerfen sollen?
»Frau Schäfer?«, erklingt Daniel Unverzagts Stimme, »sind Sie noch da?«
»Hm, ja«, sage ich, »ich überlege gerade nur, einen Augenblick bitte.«
»Äh, ja gut. Lassen Sie sich ruhig Zeit.«
Ich hypnotisiere das Regal, als könnte ich dort die Lösung meines Problems finden, irgendwas muss mir doch jetzt einfallen, verdammt! Liebes Anziehungsgesetz, schicke ich ein Stoßgebet gen Himmel, du hast diesen wunderbaren Mann zu mir geführt, würdest du nun bitte gefälligst auch dafür sorgen, dass das hier alles nicht in einer Katastrophe endet? Und zwar ein bisschen dalli, okay? Aber auf Kommando will das Universum offenbar nicht. Na gut. Dann muss es so gehen.
»Herr Unverzagt«, setze ich an, »haben Sie schon einmal etwas von dem Gesetz der Anziehung gehört?«
»Meinen Sie die Erdanziehungskraft?« Er guckt mich an wie ein Auto. »Was hat die denn mit meiner beruflichen Situation zu tun?«
Ich schüttle den Kopf. »Nein, nicht die Gravitation. Ich meine ganz wörtlich das Gesetz der Anziehung: Unglück zieht Unglück an, Glück zieht Glück an.«
»Aha.« Unverzagt sieht nicht besonders überzeugt aus. Kein Wunder. Mein Vortrag klingt in der Tat etwas wirr.
»Was ich damit sagen will: Was wir aussenden, das bekommen wir auch zurück.« Nee, irgendwie passt das so gar nicht auf Unverzagts Situation.
Der schüttelt auch prompt den Kopf. »Also, wenn das so wäre, dann müssten doch in meiner Abteilung alle begeistert von meinem Controlling sein. Da kann ja wohl was nicht stimmen.« Damit hat er zwar recht, aber ich kann hier kaum die Waffen strecken.
Ich merke, wie sich auf meiner Stirn kleine Schweißperlen bilden. Offenbar ist Coaching doch nicht so einfach, wie ich dachte. »Äh, nein, ich meine, wenn Sie dieses negative Gefühl des Nichtverstandenwerdens an Ihre Mitarbeiter schicken, dann bekommen Sie auch genau das zurück.« Hoffentlich klingt meine Stimme nicht so unsicher, wie ich mich gerade fühle.
Unverzagt neigt den Kopf. »Glauben Sie?«
Immerhin. Ich habe ihn nachdenklich gemacht. Und wenn es nur bedeutet, dass er gerade über die schönen sechshundert Euro
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