Goldstück: Roman (German Edition)
er wolle mich küssen. Ein wohliges Kribbeln breitet sich in mir aus, allein die Erinnerung daran lässt mein Herz wieder rasen. Wenn ich doch nur einen Weg wüsste, wie ich aus dieser leidigen Kirsten-Geschichte rauskomme. Vielleicht, überlege ich, könnte ich einfach behaupten, dass ich auswandern will – um dann Wochen später als meine angebliche Zwillingsschwester wieder aufzutauchen.
»Blöde Idee, Maike«, sage ich zu mir selbst und schüttele den Kopf. »Eine Lügengeschichte wird nicht dadurch besser, dass du sie durch eine andere ersetzt.«
Nach zwei Stunden habe ich mich so weit vorbereitet, dass ich recht zuversichtlich bin, Daniel Unverzagt morgen gut beschäftigt zu bekommen. Okay, eine kleine Unsicherheit, ob er mir den Super-Coach weiterhin abkauft, bleibt nach wie vor. Aber besser kriege ich es nicht hin. Ich hole aus der Abstellkammer ein Flip-Chart, das Kiki hier aufbewahrt hat, lege ein paar dicke Filzstifte zurecht, sammle sämtliche Zeitschriften zusammen, die im Wohnzimmer rumfliegen, und packe den dicken Stapel neben die Sessel in Kikis Besprechungsraum. Jetzt noch eine Schere und Klebstoff bereitgelegt, fertig sind die Requisiten, die ich morgen brauchen werde.
Zufrieden schalte ich das Licht im Büro aus, gehe in mein Schlafzimmer, ziehe mein Nachthemd an und putze mir im Bad die Zähne. Gerade habe ich den Schaum ausgespuckt, da klingelt mein Telefon.
»Schäfer«, melde ich mich.
»Hi, ich bin’s, Nadine. Hab ich dich geweckt?«
»Nein, ich wollte gerade ins Bett gehen.«
»Ich wollte nur schnell danke sagen, dass du Ralf zu mir geschickt hast.«
»Dann hat er dir jetzt alles erzählt?«
»Ja, hat er.«
»Und? Bist du sauer?«
»Nein«, meint sie. »Sauer bin ich nicht. Zuerst war ich entsetzt, dass er mir so wenig vertraut und sich überhaupt so eine Geschichte ausgedacht hat. Aber dann haben wir lange mitein-ander geredet, und jetzt ist es wenigstens halbwegs in Ordnung.«
Ich atme erleichtert aus. »Das freut mich für euch.«
»Und mich erst! Ich hatte echt schon Sorge, dass meine Ehe dabei ist, den Bach runterzugehen.«
»Wie soll’s denn jetzt weitergehen?«
»Na, zuerst einmal kommt Ralf wieder nach Hause. Er ist gerade zu Matze gefahren, um seine Sachen zu holen. Und dann müssen wir natürlich schauen. Wenn sein Arbeitslosengeld ausläuft und er bis dahin nichts Neues hat, wird’s natürlich eng. Weißt ja selbst, dass man mit dem Job bei Roger keine zwei Leute durchbringen kann. Von dreien ganz zu schweigen, aber das ist jetzt unser geringstes Problem. Jedenfalls ist es mit der Kohle, die wir im Studio verdienen, fast unmöglich, sich allein über Wasser zu halten.«
»Das weiß ich nur zu gut.«
»Dabei fällt mir ein: Kommst du morgen eigentlich? Roger meinte, wir sollten das unter uns ausmachen.«
»Stimmt, ich wollte dich auch noch anrufen, um das mit dir abzusprechen. Sorry, hatte ich ganz vergessen. Morgen kann ich auch wieder nicht, kriegst du es denn alleine hin?«
»Klar. Bin schließlich froh über jeden Euro, den ich jetzt mehr verdienen kann. Was machst du denn, geht’s um diese neue Jobsache?«
»Hm, irgendwie schon.«
»Du klingst so geheimnisvoll, das macht mich neugierig.«
»Ich erzähl’s dir, sobald die Sache spruchreif ist«, laviere ich mich raus. »Jedenfalls würde ich am Montag dann wieder ins Studio kommen.«
»Ist gut, da bin ich auch da, hab drei Kunden, die eine Maniküre wollen.«
»Prima, dann sehen wir uns Montag. Und, ganz ehrlich: Ich bin froh, dass die Sache mit Ralf und dir wieder im Lot ist.«
»Das haben wir allein dir zu verdanken, das war wirklich spitze von dir.«
»Ach was. Er wäre schon von sich aus irgendwann gekommen.« Aber trotzdem freue ich mich über das Kompliment.
»Ralf hat mir übrigens erzählt, dass dich ein junger Mann nach Hause gebracht hat. Gibt es da was Neues?«
Da soll noch mal einer sagen, wir Frauen wären Tratschweiber – Männer sind auch nicht besser!
»Nö«, antworte ich. »War nur mein Versicherungsvertreter, mit dem hatte ich ein paar Sachen zu klären.«
»Versicherungsvertreter? Was hast du mit einem Versicherungsvertreter zu klären?«, fragt Nadine neugierig nach, und ihr ist anzuhören, dass sie mir kein Wort glaubt.
»Hat auch was mit der neuen Jobsache zu tun. Erzähle ich dir, wie gesagt, ein anderes Mal.«
»Okay, dann schlaf erst mal gut. Gerade ist Ralf auch zurückgekommen.«
»Grüß ihn schön. Und schlaft auch gut!«
Na bitte, denke ich, als ich
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