Goldstück: Roman (German Edition)
machen Sie es mir doch nicht so schwer und spielen Sie einfach mit! Ich hab nun mal keine besseren Tricks auf Lager, tut mir leid, dafür müssten Sie schon zu einem echten Berufscoach gehen.
Als hätte er meine Gedanken gehört, senkt er plötzlich den Blick und murmelt: »Im Großen und Ganzen schon.«
»Na, sehen Sie!«, gewinne ich wieder Oberwasser. »Dann wollen wir mal dafür sorgen, dass es auch im Kleinen und sozusagen Halben stimmt. Also: Wofür sind Sie dankbar?«
Er blickt wieder hoch und sieht mich ratlos an. »Vielleicht können Sie mir da ein bisschen helfen, mir fällt gerade nichts ein.«
Menno, einen Kreativitätspreis wird Daniel in seinem Leben mit Sicherheit nicht gewinnen. Muss er als Controller aber auch nicht. »Gut.« Ich zücke wieder meinen Stift. »Sind Sie gesund?«
»Äh, ja, ich denke, schon.«
»Na also, da haben wir schon einmal etwas, wofür Sie dankbar sein können! Denn auch, wenn es für Sie selbstverständlich ist, gibt es eine Menge Menschen auf der Welt, die es nicht sind und gern wären.«
Schwungvoll schreibe ich als ersten Punkt
Ich bin gesund
auf das Flip-Chart.
»Ah, jetzt verstehe ich!«, ruft Daniel aus. »Verzeihen Sie«, fügt er dann etwas beschämt hinzu, »Sie müssen mich für ziemlich begriffsstutzig halten, was ich normalerweise nicht bin.« Dann grinst er wieder. »Muss an Ihrer Gegenwart liegen.«
Hoppla, der flirtet ja schon wieder ganz schön los.
»Macht nichts«, meine ich mit einer wegwerfenden Handbewegung. »Das bin ich gewohnt«, stelle ich dann kokett fest und lache. »Aber weiter im Text, wofür sind Sie noch dankbar?«
»Für meinen Job zum Beispiel. Mit der Beförderung habe ich echt riesiges Glück gehabt. Deshalb ist es mir ja auch so wichtig, dass ich es jetzt nicht wegen mangelnder Führungsqualitäten verbocke.«
»Sehr gut«, sage ich und schreibe den Punkt »Guter Job« auf. »Was noch?«
Er überlegt einen Moment. »Hm, ich habe eine echt schöne Wohnung mitten in Harvestehude.«
»Da bin ich jetzt neidisch!«
»Müssen Sie nicht. Dafür ist die Parkplatzsituation katastrophal.« Ich schreibe den Punkt »Wohnung« auf. »Meine Familie ist auch ganz okay«, spricht er dann weiter. »Doch, insgesamt verstehe ich mich mit meinen beiden Geschwistern und meinen Eltern ganz gut.«
Auch das schreibe ich auf. »Sehen Sie«, sage ich dann, »so langsam wächst die Liste doch, es gibt nämlich eine ganze Men
ge, für das wir dankbar sein können. Nur dass wir es uns nicht ständig bewusstmachen.«
»Man kann ja auch nicht den ganzen Tag durch die Gegend laufen und denken: ›Oh, ich bin so dankbar dafür, dass ich gesund bin!‹«, erklärt Daniel grinsend.
»Den ganzen Tag vielleicht nicht. Aber am Ende unseres Seminars werden Sie diese Liste hier mit nach Hause nehmen und an einem Ort aufhängen, wo Sie sie gut sehen. Dann nehmen Sie sich jeden Tag ein paar Minuten Zeit, um über das nachzudenken, was in Ihrem Leben gut ist. Und immer, wenn etwas Neues dazukommt, schreiben Sie es auf. Damit lenken Sie Ihre Gedanken weg von dem, was schlecht ist, und hin zu dem, was gut ist.«
»Ich sehe schon, das Glas ist halb voll und nicht halb leer und so.« Er zwinkert mir zu.
Ich kann ein Grinsen nicht unterdrücken, denn natürlich muss ich in diesem Moment an das Privat-Coaching denken, das Kiki mir mal verpasst hat. Und daran, dass ich damals praktisch genau das Gleiche gesagt habe wie Daniel gerade, die Sache mit dem halbvollen oder halbleeren Glas.
»Exakt«, bestätige ich. »Deshalb sammeln wir jetzt noch ein bisschen weiter. Also, was gibt es noch?« Daniel Unverzagt legt die Stirn nachdenklich in Falten. »Na, hören Sie«, meine ich nach einigen Minuten, »ein paar mehr Punkte werden Ihnen schon noch einfallen! Was ist zum Beispiel mit Ihrem Freundeskreis?«
Er zuckt bedauernd mit den Schultern. »Der ist nicht besonders groß«, gibt er zu. »Ich sagte ja schon einmal, dass ich anderen Menschen nicht so leicht vertraue, im Wesentlichen habe ich nur einen besten Freund.«
»Aber immerhin haben Sie einen besten Freund!« Ich schreibe es auf und denke an Kiki, meine beste Freundin.
»Stimmt, das ist wahr.«
»Außerdem sehen Sie verdammt gut aus«, rutscht es mir heraus, ehe ich es verhindern kann.
»Finden Sie?« Jetzt ist es an Daniel, zu erröten.
Wie niedlich! Aber eigentlich kann es nicht sein, dass er nicht weiß, wie attraktiv er ist. Oder? Egal, ich füge den Punkt hinzu und sage: »Ja, finde
Weitere Kostenlose Bücher