Goldstück: Roman (German Edition)
leider immer noch nicht eingestellt. Dabei habe ich sogar heimlich zwanzig Euro investiert und ein paar Scheine ausgefüllt, nur um dem Anziehungsgesetz ein wenig auf die Sprünge zu helfen. Aber diesmal ist das Universum wohl ein bisschen träge, gerade mal zwei Richtige kamen am Ende dabei heraus. Hätte ich mal lieber die zwanzig Euro behalten!
Langsam, aber sicher werde ich wieder etwas panisch. Fürs Erste habe ich Tiedenpuhl zwar ruhigstellen können, aber schon bald will er ja wieder Geld von mir haben. Obwohl es im Studio regelrecht brummt und Nadine und ich doppelte Schichten fahren, komme ich mit meinen 7,50 Euro pro Stunde nicht mal ansatzweise auf das, was ich verdienen müsste. Selbst wenn ich mich rund um die Uhr im Studio anketten würde, wäre das nicht zu schaffen. Wäre ich am Umsatz beteiligt, sähe die Sache da schon etwas anders aus, denn noch immer beschert uns die bescheidene Wetterlage einen regelrechten Ansturm an sonnenhungrigen Kunden.
Leider haben meine Recherchen zum Thema »Was anderes machen« bisher noch zu keinem durchschlagenden Erfolg geführt, denn es hat sich herausgestellt, dass sich niemand um eine Dreißigjährige ohne Studienabschluss und ohne Ausbildung reißt. Komisch, verstehe ich gar nicht! Selbst die drei Friseurläden, bei denen ich mich vorgestellt habe, weil ich kurz überlegt hatte, vielleicht doch noch eine Lehre zu beginnen, haben sehr verhalten reagiert. Schätze, die wollten lieber eine formbare Sechzehnjährige als eine verzweifelte Tante in der Quarterlife-Crisis. Genau genommen müsste ich, selbst wenn da was geklappt hätte, nebenbei noch weiter für Roger arbeiten, denn
mit einem Lehrlingsgehalt ist meine Bude ganz sicher nicht zu halten. Die Bude, ja, noch so ein Thema. Das Schild »Ladenlokal zu vermieten«, das ich vor ein paar Tagen gut sichtbar ins Schaufenster gehängt habe, hat bisher auch niemanden angelockt. Gewerbeflächen sind offenbar momentan nicht so gefragt, nur einmal hat eine Frau geklingelt, die sich dafür interessiert hat. Aber nur unter der Voraussetzung, dass sie alles mietet, also auch den hinteren Wohnbereich, womit mir natürlich nicht geholfen ist.
»Maike, es nützt nichts«, stelle ich seufzend fest, als ich am Montagnachmittag in meiner Küche sitze und meine finanzielle Lage überdenke. »Du schaffst es nicht allein, das ist einfach zu viel. Also auf zu Tiedenpuhl, kündigen und dann in eine fröhliche Sechser-WG mit Gemeinschaftsklo auf dem Gang in die Schanze ziehen, wo du das kleinste, dunkelste Zimmerchen bekommst.« Andererseits, so schlimm wird es ja vielleicht gar nicht, fahre ich mit meinen düsteren Gedanken fort, wir kochen dann bestimmt immer abends zusammen vegetarisch, gehen auf Demos und stricken unsere Klamotten selbst. Okay, die anderen sind alle erst Anfang zwanzig, und ich bin die WG-Oma. Aber dafür hab ich am Wochenende immer meine Ruhe, weil sie alle nach Hause zu ihren Eltern fahren.
Meine Eltern, der nächste Punkt. Gestern hat Mama mal wieder angerufen und gefragt, wie die Prüfungen so laufen und ob ich da jetzt bald durch bin. Sie und Papa hätten nämlich überlegt, ob sie mir nach dem Staatsexamen eine Reise schenken, die wir dann zusammen machen, denn das würde mir nach der schweren Zeit, die dann hinter mir liegt, bestimmt guttun. Hab einfach nur gesagt, dass das wohl noch bis zum Herbst dauert, und dann aufgelegt.
Es klingelt vorne am Büro, ich rappele mich hoch und sehe nach, wer es ist. Sofort macht sich ein kleiner Hoffnungsschimmer in mir breit, vielleicht ist es ja jemand, der Interesse an den zwei Räumen zeigt, und ich entkomme meinem finsteren
Schicksal als Mitglied einer Wohnkommune? Nein. Es ist kein Interessent. Als ich die Tür öffne, stehe ich vor – Daniel Unverzagt! Mein Herz schlägt sofort schneller, als ich in seine Schokoaugen blicke.
»Hallo, Daniel!«
»Hallo, Kirsten.« Schon wieder zeigt er mir sein Grübchenlächeln. »Wie geht es d… Ihnen?«
»Danke, gut«, lüge ich. »Und selbst?«
Jetzt verwandelt sich sein Lächeln in ein breites Grinsen. »Ganz hervorragend, muss ich sagen! Deshalb bin ich auch hier.« Er zieht einen riesigen Blumenstrauß hinter seinem Rücken hervor und hält ihn mir unter die Nase. »Ich wollte mich bei Ihnen bedanken.«
»Ach, ja?«
Er nickt. »Ja. Sie glauben ja gar nicht, was in der vergangenen Woche alles passiert ist! Es ist wirklich phänomenal!« Noch immer hält er den Blumenstrauß etwas unschlüssig in den
Weitere Kostenlose Bücher