Goldstück: Roman (German Edition)
ich ehrlich. »Aber irgendwie muss ich ja über die Runden kommen.«
»Tja, das müssen wir wohl alle«, stellt sie fest. Sie öffnet ihre Handtasche und kramt ihr Portemonnaie raus. »Ich geh dann mal dreißig Minuten auf die sechs«, sagt sie und legt das Geld dafür auf den Tresen.
»Okay.« Ich stelle die Zeit auf meinem Monitor ein. »Dann mal viel Spaß.« Babs wackelt ab in Kabine sechs.
»Die sieht echt bald aus wie gegerbtes Leder«, flüstert Na-dine mir zu.
»Schönheit ist eben, was du selbst draus machst«, erwidere ich.
»Und sie liegt im Auge des Betrachters.«
»Genau.«
Nadines Handy klingelt, sie sucht es aus ihrer Jacke, die über ihrem Stuhl hängt, und nimmt den Anruf entgegen. »Hallo, Schatz.« Es ist offensichtlich Ralf. Nadine hört ein paar Mi
nuten lang zu, dabei tritt ein immer breiteres Grinsen auf ihr Gesicht. »Ist nicht wahr!«, höre ich sie sagen, dicht gefolgt von einem »Aber das ist ja großartig!«. Als sie auflegt, reichen ihre Mundwinkel von einem Ohr zum anderen.
»Gute Neuigkeiten, nehme ich an?«
Sie nickt. »Das kannst du laut sagen! Ralfs alter Chef hat ihn angerufen und gebeten, wieder für ihn zu arbeiten.«
»Was? Ehrlich? Ich fasse es nicht!«
»Ja, vor zehn Minuten hat er mit ihm gesprochen, gleich morgen soll er wiederkommen.«
»Aber ich denke, sie haben ihn rausgeschmissen, weil er was angestellt hat?«, wundere ich mich.
»War wohl nur ein Missverständnis, meinte Ralf. Alles Weitere will er mir zu Hause erzählen.« Nadine strahlt.
»Ich freu mich für dich, ehrlich!«
»Ist das zu glauben? Vor zwei Tagen sah alles noch total hoffnungslos aus, und mit einem Schlag ist alles wieder gut. Und weißt du, was das Beste ist?«
»Was denn?«
»Na ja, wir haben das auch mal ausprobiert.«
»Was habt ihr ausprobiert?«
»Die Sache mit dem Wünschen, von dem du erst mir und dann Ralf erzählt hast. Gestern Abend haben wir uns hingesetzt und aufgeschrieben, dass Ralf wieder eine Anstellung hat. Und heute ruft sein Ex-Chef an, ich glaub’s ja nicht!«
»Das ist in der Tat unglaublich.«
»Los!«, meint Nadine, schnappt sich ein Blatt Papier und einen Stift. »Lass uns sofort einen Lottogewinn wünschen! Und dann treten wir Roger in seinen blöden Hintern.«
»Gute Idee«, meine ich. »Wie viel gewinnen wir denn?«
Nadine denkt einen Moment lang nach. »Wenn schon, dann mit Jackpot und allem, finde ich. So dreißig Millionen, würde ich mal sagen.«
»Klingt gut.«
Nadine schreibt es auf, fünf Minuten lang starren wir auf die Zahl und visualisieren: mit einem Cocktail in der Hand auf unserer Privatyacht vor der Côte d’Azur, in langer Robe bei der Oscar-Verleihung (mit so viel Geld kann man sich da bestimmt einkaufen), auf dem Tennisplatz unseres Privatschlosses in Italien, beim Skifahren mit den Reichen und Schönen in Aspen – halt alles, was man sich so unter dem Leben von Multimillionären vorstellt.
»So«, stellt Nadine zufrieden fest. »Die Sache wäre dann ja wohl geritzt, jetzt können die Milliönchen kommen.«
»Äh«, werfe ich ein. »Meinst du nicht, dass da noch was fehlt?«
»Was soll denn da fehlen?«
»Na ja, ich denke, wir sollten schon noch einen Lottoschein ausfüllen und abgeben, sonst kann das kaum klappen.«
»Quatsch«, erwidert Nadine. »Das Gesetz der Anziehung soll mal zeigen, was es draufhat, und sich überlegen, wie wir unseren Lottogewinn kriegen, ohne dass wir gespielt haben. Wünschen für Fortgeschrittene, sozusagen.«
»Aha. Verstehe.«
»Sag mal, denkst du, du kommst hier heute alleine klar?«, will Nadine dann wissen.
»Sicher«, erwidere ich, »aber willst du schon gehen? Du bist doch eben erst gekommen.«
Nadine nickt und schnappt sich ihre Handtasche. »Stimmt schon«, stellt sie fest. »Aber Ralf hat mir gesagt, dass er Champagner kalt gestellt und ein paar Kerzen angezündet hat.«
»Es ist doch noch nicht einmal Mittag!«, werfe ich ein.
»Ja«, stimmt Nadine mir zu. »Aber wozu gibt es Vorhänge? Heute ist außerdem Ralfs letzter freier Tag, also sollte ich schleunigst nach Hause, damit wir … Du weißt schon: Familienplanung!«
»Bitte keine Details«, ziehe ich sie auf, »als Singlefrau bin ich am Sexualleben anderer nicht interessiert.«
»Keine Sorge«, meint Nadine, »wenn du erst einmal reich bist, werden die Heiratsschwindler sich mit Sicherheit um dich reißen.«
»Wie beruhigend!«
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18. Kapitel
E ine Woche später hat sich Nadines und mein Lottogewinn
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