Golem - Golem - Genome, Inc.
quälen, und das tut mir von ganzem Herzen leid.
Ich habe eine neue Identität für dich erschaffen. Ich habe dir alles hinterlassen, was mir gehört, und ich hoffe, dass du dadurch die Freiheit finden kannst.
Es tut mir leid, Roosevelt. Es tut mir leid, dass ich dich belogen habe. Es tut mir leid, dass ich Dolce belogen habe. Aber ich war glücklich zu sehen, wie groß die Liebe zwischen euch ist. Solltest du je an dir zweifeln, solltest du deine Menschlichkeit jemals infrage stellen, dann sieh dir das an. Die Menschen sind von Natur aus selbstsüchtig. Die Liebe hingegen ist der selbstloseste Akt, zu dem wir fähig sind, und mit Wissenschaft vermag man sie nicht zu erklären. Viel Glück, mein Sohn. Gott segne dich.«
Das Bild seines Vaters verschwand. Roosevelt schloss die Augen. Das Herz ist ein autonomes Organ. Es schlägt aus eigenem Willen. Egal, ob wir das Leben oder den Tod suchen, das Herz entscheidet, wann es zum letzten Mal schlägt. Und das ist vielleicht der längste Augenblick im Leben einer Kreatur: der Augenblick zwischen Leben und Tod. Das Herz schlägt, und da ist Leben; das Herz schweigt, und da ist Tod.
Roosevelt hatte keine Angst mehr vor dem Tod. Sein Stiefvater hatte recht. Er hatte Dolce geliebt, und sie hatte ihn geliebt.
Roosevelt hatte geglaubt, nur noch für die Rache zu leben. Doch Rache hin oder her – sein Herz würde weiterschlagen bis zum Tag seines Todes.
Gott straft die Bösen, und Roosevelt hatte allmählich das Gefühl, selbst einer der Bösen zu werden. Mit jedem Leben, das er nahm, entfernte er sich ein weiteres Stück von Dolce, und sein Herz wurde porös. Langsam wurde er immer leerer, und irgendwann würde auch er nur noch eine Schneckenmuschel sein wie Queen Elizabeth.
Doch Liebe war ein selbstloser Akt. Und Roosevelt war bereit, Gott gegenüberzutreten. Selbst als Sünder konnte er vor Gott hintreten, solange er nur seine Rache bekam. Sein Stiefvater hatte ihm alles hinterlassen, doch tief im Herzen wusste Roosevelt, dass er diese Hinterlassenschaft zur Rache verwenden würde. Er hoffte nur, dass sein Stiefvater ihm verzieh, sollte er ihm in einem anderen Leben begegnen.
Roosevelt steckte die Papiere ein und schloss das Kästchen. Dann verließ er den Raum und warf die Tür hinter sich zu. Draußen im Gang kam ihm der Banker mit einem Tablett Orangensaft entgegen.
»Ich möchte, dass der gesamte Inhalt der Bankfächer auf ein Konto hier überwiesen wird«, sagte Roosevelt.
Der Bankangestellte nickte eifrig.
»Erledigen Sie das noch heute Nachmittag. Ich habe viel zu tun.«
»Selbstverständlich, Sir«, sagte der Bankangestellte. »Auf welchen Namen sollen wir das Konto einrichten?«
»Parker Symon«, antwortete Roosevelt. »Ich heiße Parker Symon.«
Die Neue Welt
G eld. Queen Elizabeth brachte Roosevelt tief unter die Wall Street zu der verlassenen U-Bahn-Station, die zum Hauptquartier des Widerstands der Transkriptoren geworden war. Roosevelt war von der Stärke ihres Netzwerks überrascht gewesen. Ein paar Hundert abgehärtete Transkriptoren, die in der gesamten Stadt Operationen durchführten mit dem Ziel, gentechnische Forschungsanlagen zu zerstören und TFU-Einsätze zu behindern.
Die U-Bahn-Station an sich war sehr schön. Die Wände waren voller Meisterwerke der Malerei und Bildhauerei. Van Gogh. Cezanne. Renoir.
»Woher habt ihr all diese Bilder?«, fragte Roosevelt.
»Wir haben sie befreit«, antwortete Queen Elizabeth. »So wie wir das Schwert und den Helm für dich befreit haben.«
»Ihr habt sie gestohlen?«
»Die Menschen haben solch wunderbare Kunstwerke nicht verdient«, erwiderte Queen Elizabeth und öffnete die Tür zu einem Raum voller Monitore. »Ist es das, was du brauchst?«
»Das ist perfekt.« Roosevelt setzte sich vor einen der Monitore. »Als Erstes brauche ich Geld. Öffentliches Geld. Etwas, das Unruhe verursachen kann, eine bedeutsame Veränderung am Markt. Ich brauche Aufmerksamkeit. Ich muss Genico zeigen, dass sich ein neuer Investor am Markt betätigt.«
Roosevelt blickte auf den Monitor und richtete rasch einen E-Trade-Account ein. Sampticker erschienen auf dem Monitor. Roosevelt hatte den Börsenhandel stets als langweilig empfunden. Die Jagd nach Geld hatte ihn nie interessiert – im Gegensatz zu seinem Bruder und all den anderen Brokern ein Stockwerk tiefer. Aber Roosevelt hatte zu Beginn seiner Karriere genug Erfahrung auf diesem Gebiet gesammelt, um zu wissen, dass er ein Talent dafür besaß. Hätte er
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