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murmelte gedankenverloren: »Sicher.«
Eine Geschichte zu erzählen
R oosevelt wartete vor dem Gebäude der New York Times an der 43rd Street auf Cindy Adams, seine alte persönliche Assistentin. Er hatte im Netz nach ihr gesucht und herausgefunden, dass sie seit ihrer Kündigung bei Genico als Journalistin für die Times arbeitete. Roosevelt lungerte vor dem Haupteingang herum, lehnte an der Wand und spielte mit seinem Handy. Zwanzig Minuten später kam Cindy heraus, bog nach links ab und ging zu einem Café. Roosevelt folgte ihr und wartete, bis sie mit einem Muffin in der Hand wieder herauskam.
»Cindy Adams«, sagte Roosevelt, so freundlich er konnte.
Cindy blieb abrupt stehen, schluckte verunsichert ein Stück Muffin herunter und kniff die Augen zusammen, um sich Roosevelt genauer anzusehen.
»Ja?«
»Ich bin ein Freund von Roosevelt«, begann Roosevelt vorsichtig.
Cindy erschrak. Vorsichtig warf sie einen Blick über die Schulter; dann fragte sie ungläubig: »Wirklich? Woher kennen Sie ihn?«
»Das ist lange her. Damals war er noch nicht bei Genico. Ich würde gerne mit Ihnen reden.«
Verunsichert trat Cindy von einem Fuß auf den anderen. »Äh … Tut mir leid … Ich kenne Sie nicht …«
»Bitte. Nur eine Minute«, sagte Roosevelt. »Ich gebe Ihnen eine Tasse Earl Grey mit Extramilch aus, okay?«
»Ich liebe Earl Grey.« Cindy lächelte überrascht.
»Ich weiß.«
Sie gingen ins Café und suchten sich einen Platz am Fenster. Es war noch Vormittag, und so hatten sie fast den ganzen Laden für sich. Roosevelt bestellte den Tee für Cindy und setzte sich ihr gegenüber. Cindy sah noch genauso aus, wie Roosevelt sie in Erinnerung hatte. Ihr Haar war zerzaust, ihre Kleidung weit und von schlichter brauner Farbe. Nervös entfernte sie das Papier von ihrem Muffin.
»So … Sie sind also jetzt Reporterin bei der Times «, begann Roosevelt. »Roosevelt hat erwähnt, dass Sie dort Ihr Volontariat gemacht haben.«
»Ja, nachdem Roosevelt …« Sie verstummte.
»Was?«
»Nachdem Roosevelt abgeholt worden ist …«, sagte Cindy und wählte ihre Worte mit Bedacht. »Nachdem er illegal des Mordes angeklagt wurde, habe ich die Lust verloren, weiter für Genico zu arbeiten. Ohne ihn war alles irgendwie … leer.«
»Sie glauben also, er ist unschuldig?«
Cindy schnaufte verächtlich und schüttelte den Kopf. »Das glaubt jeder, der Roosevelt kennt. Jeder. Roosevelt würde nie jemandem ein Leid zufügen. Man hat ihn angeklagt und ohne Gerichtsverhandlung verurteilt. Und das alles nur, weil er ein Transkriptor war? Nein, das habe ich nie geglaubt, und das werde ich nie glauben.«
»Aber Sie glauben, dass er ein Transkriptor ist?«
Sie zuckte mit den Schultern. »Vielleicht. Er war zu perfekt … zu gut, um ein Mensch zu sein. Sie wissen schon. Er war klug und talentiert auf allen Gebieten. Aber das gibt ihnen noch immer nicht das Recht, ihm alles wegzunehmen. Es istverabscheuungswürdig, wie wir die Transkriptoren in dieser Gesellschaft behandeln. Wir haben eine Sklavenklasse erschaffen, eine Bevölkerungsgruppe, für die die Menschen- und Bürgerrechte offenbar nicht gelten.
Wir betrachten es als selbstverständlich, dass alle Menschen gleich geschaffen sind und dass ihr Schöpfer sie mit unveräußerlichen Rechten ausgestattet hat. Dazu gehören das Recht auf Leben, Freiheit und die Suche nach Glück.
Geschaffen – das ist das entscheidende Wort. In der Unabhängigkeitserklärung steht nichts von ›geboren‹. Die Menschen haben die Transkriptoren geschaffen, und als ihre Schöpfer schulden wir ihnen dieselben Rechte, die auch wir selbst genießen. Doch genau diese Rechte verweigern wir ihnen.«
»Sie sind sehr leidenschaftlich, was dieses Thema betrifft.«
»Natürlich!«, echauffierte sich Cindy. »Ich habe jahrelang bei Genico gearbeitet. Ich habe gesehen, was mit den Transkriptoren geschieht, die wir gemacht haben … geschaffen haben. Ich habe gesehen, wie sie versklavt worden sind. Wie sie in den Spielen verheizt wurden. Das ist nicht richtig. Und was mit Roosevelt passiert ist, war auch nicht richtig. Er war die beste Person, die ich je gekannt habe, und sie haben ihn vernichtet und sein ganzes Leben zerstört.«
»Hat jemand mal darüber gesprochen, wie man überhaupt herausgefunden hat, dass er ein Transkriptor ist?«, fragte Roosevelt.
Cindy schüttelte den Kopf. »Nein. Jedenfalls niemand, den ich kenne. Aber wegen der Transkriptorenrebellion sieht die Regierung ohnehin an
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