Golem - Golem - Genome, Inc.
vorbei. Der Falke breitete die Flügel aus, schlug kurz damit und legte sie dann wieder an den Körper.
Saxton Senior starrte seinen Sohn an und strich sich über den langen Schnurrbart. »Ich bin dieses Geschäft leid. Die Genbörse hat uns in eine Richtung geführt, die wir uns unmöglich vorstellen konnten. Vor fünfzig Jahren war ich Wissenschaftler, ein Kittelträger, und wollte den Menschen helfen. Ich war wie du. Irgendwann bin ich dann vom Weg abgekommen.«
»Du hilfst den Menschen doch.«
»Nein.« Saxton Senior schüttelte langsam den Kopf. »Nicht mehr.«
Er legte Roosevelt den Arm um die Schultern und führte ihn durch die Glastür auf die Terrasse. Draußen war es bedeckt. Nebel verschleierte die Gebäude auf der New-Jersey-Seite des Hudson. Regal Blue folgte ihnen stumm und nahm dabei den Falken auf den Handschuh. Der Vogel reagierte sofort, als er die frische Luft spürte, trat von einem Fuß auf den anderen und nickte mit dem Kopf.
»Jetzt geht es nur noch um Geld«, sagte Saxton Senior, wobei er sich ebenfalls einen Handschuh überstreifte. »Es zählt allein der Profit. Wir könnten Millionen Menschen helfen, aber wir tun es nicht. Und warum? Weil es keinen Profit abwirft. So macht man kein Geld. Das war nicht meine ursprüngliche Absicht, aber mein Sohn scheint es zu glauben.«
»Er tut sein Bestes«, sagte Roosevelt. »Vor allem versucht er, es dir recht zu machen.«
Saxton flüsterte dem Falken zärtlich etwas zu und streichelte ihm mit der freien Hand über den Rücken. Dann hielt er ihm den Handschuh hin. Das Tier trat vorsichtig einen Schritt vor, und die Krallen bohrten sich in Saxtons Handschuh.
»Mein Sohn ist so sehr mit der Jagd nach Geld beschäftigt, dass er gar nicht sieht, was er anrichtet. Und ich fürchte, das ist meine Schuld.«
»Er ist trotz aller Fehler ein guter Mann«, bemerkte Roosevelt.
»Tatsächlich. Ich bin mir da nicht mehr so sicher.«
Saxton Senior nahm dem Falken geschickt die Haube ab, hielt dann den Handschuh in die Höhe und gab einen Befehl. Der Vogel schlug mit den Flügeln, stieg auf und flog von der Terrasse weg. Die drei Männer schauten dem Tier hinterher,als es sich vom Wind in die Höhe tragen ließ, zwischen den Wolkenkratzern hindurchschwebte und in die Täler der Financial Plaza hinabstürzte.
Den Blick noch immer auf den davonjagenden Falken gerichtet, sagte Saxton Senior entschlossen: »Wenn ich zurücktrete, wirst du meinen Platz einnehmen.«
Roosevelt lachte, erkannte dann aber, dass sein Vater es ernst meinte. Das war nicht verwunderlich: Saxton Senior scherzte nie, wenn es ums Geschäft ging; er machte nicht einmal Witzchen darüber. Was er von sich gab, war sozusagen sofort in Stein gemeißelt.
Hilfesuchend schaute Roosevelt zu Regal Blue, doch der Hüne mit dem milchigen Auge starrte stur geradeaus. Schließlich wandte Roosevelt sich wieder seinem Vater zu. »Ich soll einmal deinen Platz einnehmen? Du weißt nicht, was du sagst.«
»Oh doch, das weiß ich sehr genau.« Der alte Mann löste sich vom Anblick des Falken und nickte Roosevelt zu. »Du warst schon immer derjenige, welcher. Die Gründe dafür kannst du jetzt noch nicht verstehen.«
Roosevelt dachte an seinen Bruder. Anders als er selbst, wollte Phillip die Kontrolle über Genico. Phillip strebte nach Macht. Wenn er erfuhr, was sein Vater vorhatte, würde er am Boden zerstört sein. Dennoch dachte Roosevelt einen Augenblick darüber nach, wie es wohl sein würde, die Firma zu leiten und sie in etwas Gutes, Positives zu verwandeln. Dann aber schämte er sich bei dem Gedanken daran, wie tief es seinen Bruder verletzen würde, wenn dieser erfuhr, dass er übergangen werden sollte. Und es gab noch andere, handfestere Gründe, die dagegensprachen.
»Ich weiß nicht, wie man so ein Unternehmen führt«, sagte Roosevelt. »Ich weiß ja nicht mal, wo ich anfangen sollte.«
»Du wirst es lernen«, erwiderte Saxton Senior. »Im Vorstand sitzen gute Leute – zwar nicht alle, aber einige schon. Von denen kannst du lernen.«
»Ich bin Reformer, kein Geschäftsmann.«
»Genau deshalb musst du meinen Platz einnehmen. Genico muss zu dem werden, als was es ursprünglich gedacht war: ein Werkzeug, um den Menschen zu helfen und ihr Leben zu verändern.«
In der Ferne kreiste der Falke über Lower Manhattan. Roosevelt schaute nach Osten, blickte über den East River hinweg nach Brooklyn. Von dieser Terrasse aus hatte er den Blick über eine Million Menschen, alle voller Bedürfnisse,
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