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ausgerechnet einen Reverend auf die Palme brachte, war eine Ironie, die auch Saxton nicht entging. Aber so war nun mal die New Economy.
Roosevelts Büro war verlassen, und Saxton ließ sich selbst hinein. Auf dem Schreibtisch lag eine Notiz. Roosevelt würde sich mit ihm und Dolce auf dem Dach treffen. Saxton brach auf Roosevelts Stuhl zusammen, schüttete das weiße Pulver aus einer kleinen Phiole auf den Holzschreibtisch seines Bruders und schob es mit seiner Amexkarte zu schmalen Linien zusammen. Kurz hielt er inne und ließ den Blick über die Wände schweifen. Fotos hingen dort, die Roosevelt an verschiedenen berühmten Stätten zeigten: auf den steinernen Stufen von Macchu Pichu und vor der Großen Mauer. Nach dem College hatte sich Roosevelt ein ganzes Jahr lang frei genommen und war durch die Welt gereist. Während Saxton sich in den Staaten das Hirn zermartert hatte, um das Brokerexamen zu schaffen, war Roosevelt von einem Teil des Globus zum nächsten gedüst und hatte tun und lassen können, was er wollte.
In der Ecke lag ein kleiner, grauer, zusammengepackter Fallschirm, daneben ein gelb gestreifter Helm – Souvenirs aus Roosevelts Fallschirmspringerzeit. Saxtons Blick blieb auf einem gerahmten Foto haften, das Roosevelt und seine Teamkameraden nach dem Gewinn des Orange Bowl zeigte. Das Bild war auf dem Spielfeld aufgenommen worden, unmittelbar nach dem Schlusspfiff, und Roosevelt hatte den freien Arm um eine strahlende Dolce gelegt. Hinter ihm jubelten die anderen Spieler von Miami.
»Auf dich, alter Junge«, sagte Saxton und imitierte Millers schlechten britischen Akzent; dann beugte er sich vor und zog sich das weiße Pulver rein. Mama packte ihn sofort und fuhr wie eine Welle von seiner Nase durch den ganzen Körper. Saxton setzte sich auf, starrte wieder auf das Foto, ging darauf zu und nahm es von der Wand.
Roosevelt, der Star. Dolce himmelte ihn an. Hinter ihnen flatterte Konfetti vom Himmel, und obwohl er im Hintergrund kaum zu erkennen war, sah Saxton seinen Vater. Saxton Senior trug eine Kappe der University of Miami und lächelte – ein wahrhaft seltener Anblick. So stolz wie auf diesem Foto hatte Saxton ihn noch nie gesehen.
Phillip richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf Roosevelt und hob das Foto näher an die Augen. Die Details verschwammen; trotzdem holte Saxton das Bild noch näher heran, bis er jeden einzelnen Farbpixel erkennen konnte. Hier, in dieser verpixelten Welt, machten die Dinge endlich einen Sinn. Abertausende von Pixeln ergaben ein Foto, und jeder Pixel spieltedabei seine Rolle. Doch einzeln waren sie nichts und konnten leicht entfernt werden.
»Ich kenne dein Geheimnis …«, flüsterte Saxton dem Foto zu.
Ein lautes Klopfen überraschte ihn. Die Pixel verblassten, als er sich zur Tür umdrehte. Dolce stand da, ärgerlich schön wie immer – ärgerlich, weil sie nicht ihm gehörte. Zwar hatten auch sie sich in ihrer Jugend nahegestanden, aber Dolce hatte sich schon immer mehr zu Roosevelt hingezogen gefühlt. Jahrelang hatten Roosevelt und Dolce ihre Beziehung geheim gehalten, bis es zu offensichtlich geworden war, um es noch zu verbergen. Saxton hatte so getan, als freue er sich für die beiden oder als stünde er ihrer Beziehung zumindest gleichgültig gegenüber, doch innerlich zerfraß ihn die Eifersucht. Dolce war schon das ultimative Symbol des Erfolgs gewesen, als die beiden Brüder noch nicht einmal gewusst hatten, was Erfolg war. Mädchen und Sport waren die Währung ihrer Teenagerzeit gewesen, und Roosevelt hatte immer die größte Kriegskasse gehabt. Und mit siebzehn Jahren war Dolce das gewesen, was für einen Erwachsenen ein ständiger Sitz im Vorstand war.
»Ist das beim Orange Bowl aufgenommen worden?«, fragte Dolce und deutete auf das Bild.
Saxton grunzte und hing das Bild wieder an die Wand zurück.
»Er hat bei dem Match gut gespielt«, sagte Dolce.
Roosevelt hatte an jenem Tag sogar fantastisch gespielt. »Wünschst du dir, er würde immer noch spielen?«
Dolce holte einen Kaugummi aus ihrer Tasche, steckte ihn sich in den Mund und zuckte mit den Schultern. »Er soll tun, was ihn glücklich macht, und sein Traum war es immer, den Menschen zu helfen.«
»Aber was ist mit all dem Geld, das er dafür aufgegeben hat?«
»Geld macht die Menschen nicht glücklich.« Dolce kaute vor sich hin und schaute sich in dem Büro um. »Wo ist er überhaupt?«
Saxton hielt die Notiz in die Höhe. »Er will uns auf dem Dach treffen.«
Gemeinsam
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