Golem - Schicksalstraeger
begriff nicht, was das zu bedeuten sollte.
Das Kind zog schließlich meine Aufmerksamkeit wie magisch an. Es schwang die Arme und tanzte freudig in der samtenen Schwärze. Statt es nochmals zu fragen wer es war, fragte ich dieses Mal:
»Was bist du?«
Der Buntschopf grinste verschmitzt auf sympathische Art und Weise. Die frechen Sommersprossen und die kleine Zahnlücke zwischen den oberen Schneidezähnen verstärkten meine Zuneigung für diesen kleinen Schelm nur.
»Alles«, sagte es dann und lachte hell, »und nichts«, fügte es hinzu. Daraus wurde ich nicht schlau, also beschloss ich eine andere Frage zu stellen. Letztes Mal hatte das Kind schließlich behauptet ich würde es kennen.
»Und woher soll ich dich kennen?«
»Na … Du kennst mich nicht nur, sondern sogar sehr gut!«, erwiderte es ein wenig beleidigt. Es schüttelte nachdenklich und ein wenig verträumt den Kopf, dann zuckte es mit den Schultern und seufzte leicht.
»Aber du hast mich früher nicht gemocht, weil du mich gefürchtet hast. Dabei gehöre ich mehr zu dir als zu sonst jemanden, der noch lebt.«
Ich fragte mich, ob das wahr war. Warum erinnerte ich mich dann nicht? Es war schließlich nicht so, dass dieses Kind schwer zu vergessen gewesen wäre. Außerdem sah ich keinen Grund, weshalb ich es je hätte fürchten können.
»Du hilfst mir nicht gerade auf die Sprünge«, gestand ich.
Es zuckte unschuldig mit den Achseln.
»Und? Was kann ich dafür, dass du es nicht mehr weißt?!«
»Gut«, sagte ich mit zusammengebissenen Zähnen, »dann sag mir wenigstens wie du heißt«, forderte ich. Der Buntschopf lachte wieder.
»Habe viele Namen, aber darüber sollten wir nun wirklich ein anderes Mal sprechen.«
So langsam wurde ich wirklich ungeduldig. Warum war ich hier?
»Warum hast du mich hergeholt? Wenn du mir nur Rätsel aufgeben willst?«
Das Lächeln des Kindes gefror und erlosch ganz. Es verschränkte trotzig die Arme vor der Brust.
»Du warst das, nicht ich ! Normalerweise dürftest du mich gar nicht finden können!«, zischte es mich ungehalten an. Ich blieb stumm und hatte keine Ahnung, ob das der Wahrheit entsprach.
»Und wo sind wir?«, fragte ich und ignorierte die Tatsache, dass mich jedes Rätsel des Buntschopfs mehr und mehr ärgerte.
Das Kind runzelte die Stirn und trat langsam auf mich zu. Es streckte die Hand aus und berührte mich prüfend. Sie fühlte sich warm und angenehm an. Anders als jede sonstige Berührung die mir je zu Teil wurde.
Abermals ging es um mich herum und ließ die Hand dabei über mein Stein gleiten. Bei meinem Rücken hielt es an. Ich merkte, wie die kleinen, flinken Finger des Buntschopfs meinen Rücken betasteten, als gäbe es dort etwas Interessantes zu entdecken.
Ich wusste nicht, was es dort zu finden glaubte oder, warum ich es einfach geschehen ließ. Durch die Berührung des Kindes fühlte ich mich als würde etwas in mir gelöst werden, das schon so lange unangenehm fest verknotet gewesen war, dass ich davon schon keine Notiz mehr genommen hatte.
Der Buntschopf kam wieder nach vorn und prophezeite mir sehr ernst:
»Es wird nicht einfach für dich werden, wenn du all das Verlorene wiedergefunden hast.«
Der Buntschopf senkte mit betretener Mine den Kopf. Nach einer Pause sagte er, ohne den Blick zu heben:
»Ich weiß auch nicht, warum all das mit dir geschehen ist. Ich bin schließlich alles andere als das Schicksal oder der Zufall. Aber vielleicht verzeihst du dieses Mal ja.« Er schaute mich hoffnungsvoll an. Ein Lächeln, das ihm so viel besser stand als Trübsal und Sorge, huschte zurück auf seine Züge.
»Vielleicht magst du mich dann ja. Denn weder du noch ich waren Schuld.«
So langsam wurde mir bewusst, dass ich aus dem Buntschopf wohl kaum etwas herauskriegen würde, was keine Fragen aufwarf. Ich kratzte mich verwirrt am Kopf erst da bemerkte ich die Haare auf meinem Kopf. Um mich zu überzeugen, dass ich schon wieder ein Mensch war betrachtete ich – abermals fasziniert und verblüfft - meine Hände. Sie waren aus Fleisch und Blut.
Eine dumpfe Ahnung, derer ich mir allerdings noch nicht sicher genug war nistete sich in mir ein. Konnte es denn sein?
Ich rang meine Verwirrung über das Wiedermenschsein nieder und ließ die Hände sinken. Ich setzte mich auf den nicht sichtbaren Boden. Der Buntschopf tat es mir gleich, hockte sich mir im Schneidersitz gegenüber und grinste.
Obwohl dieses Kind keine Antworten zu haben schien, kam mir der Gedanke, dass es sehr wohl
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