Golem - Schicksalstraeger
merkte ich, dass es doch nicht unerheblich gewesen war.
»Da gibt es vieles …«, begann sie langsam. Sie biss sich zaudernd auf die Unterlippe, ehe sie nach einer langen Überwindungspause fragte: »Habe ich dir je erzählt, dass die Hexe meine Schwester ist?«
Mir fiel alles aus dem Gesicht. Ich versuchte Silvana anzusehen, doch sie wich meinem Blick aus.
Die beiden sollten Schwestern sein?! Das konnte doch nicht wahr sein! Dennoch spürte ich, dass es wahr war.
Was sollte ich davon halten, fragte ich mich und warum erfuhr ich es erst jetzt?
Silvana hatte sicherlich sehr unter der Schreckensherrschaft ihrer Schwester gelitten. Was die Hexe getan hatte, musste auf sie zurückgefallen sein. Das war furchtbar und Silvana hatte mein Mitgefühl, obwohl ich nicht verhehlen konnte, dass mir ihr Jahrhunderte langes Schweigen ziemlich missfiel.
Aber vielleicht hatte sie befürchtet, mich zu verlieren, sobald ich es erfahren hätte. Immerhin war ich die einzige Gesellschaft für Silvana, die der eines Menschen nahe kam.
»Wir entstammen einer der zwei ältesten magischen Linien und einer der zwei mächtigsten. Die Magie formte diese Welt und Leute wie uns mit ihr.« Traurigkeit begleitete ihre Worte. Silvanas Familie musste einst sehr stolz und angesehen gewesen sein. Vermutlich in dem Maße in dem sie heute verachtet und verhasst waren.
»Aber das ist es nicht, worauf ich hinaus wollte. Mir kommt deine Angst so bekannt vor. Sie erinnert mich so sehr an die Zeit, als die Hetzjagd auf meine Schwester stattfand. Mehr noch, als sie sie in die Unterwelt verbannten. Ich war nicht dabei gewesen. Weiß nicht sicher, wie sie sie verbannt haben.«
Sie rang, in erdrückenden Erinnerungen schwimmend, nach Worten.
»Ich hab ihre Macht gefürchtet, vielleicht sogar mehr als die meisten. Und doch liebe ich meine Schwester so sehr. Vielleicht war es falsch. Vielleicht war gerade die Furcht vor ihrer Macht es, das ihr so viel Macht gab. Macht mein Gefasel irgendeinen Sinn?«, hinterfragte sie sich, ohne eine Reaktion von mir abzuwarten.
Sie fuhr an sich selbst gewandt fort: »Ja Angst … furchtbare, unbändige Angst. Sie lähmte uns alle. Machte uns unfähig. Als alles anfing war es wohl das Unfassbare, dass unseren Verstand überstieg und uns daher keine Gefahr zeigte. Doch nachdem das Wirkliche, Unfassbare unmissverständlich auch für uns real wurde, war es die blanke Angst, die uns hemmte und hilflos machte. Es ist vertrackt! Es hätte so nie geschehen müssen.«
Es war als hätte Silvana nach so langer Zeit endlich sich selbst erklärt, was damals geschehen war. Stille trat ein in der wir beide zu aufgewühlt waren, um zu sprechen. Irgendwie gelangte ich über das Wirrwarr in meinem Kopf zu einem anderen Gedanken: Alles hat seinen Preis.
Ich wanderte gedanklich automatisch zurück zu dem Feuerzüngler.
Vielleicht hatte ich ja Glück und die Feuerzüngler würden nichts von mir fordern. Aber Silvanas Blicke sprachen Bände und verhießen mir, dass dem sicher nicht so war und ich kaum darauf hoffen konnte.
Die Feuerzüngler hatten keinen Zeitrahmen. Stand man bei ihnen in der Kreide verjährte es nicht. Bis an mein Lebensende wäre ich ihnen verpflichtet und danach meine Nachfahren, falls sie die Schuldbegleichung nicht vorher von mir einforderten.
»Sie werden viel zu viel von dir verlangen. Sei dir dessen gewahr und bete, dass sie erst deine wahre Gestalt erkennen, nachdem deine Schuld beglichen ist«, prophezeite Silvana mir düster.
»Was meinst du? Ich bin doch nur ein Brockenknirscher. Was könnten die schon von mir wollen?« Meine Unwissenheit sprach aus mir, was Silvana jedoch kekste war meine arglose Unbekümmertheit, die fast schon Gleichgültigkeit gleich kam.
Ich war zu gelassen dafür, dass ich ein Geschäft mit Wesen eingegangen war, die jeder als Vertragspartner mied, weil niemand es wagte bei ihnen Schulden zu machen. Ich konnte einfach nicht mehr bei klarem Verstand sein!
Sei’s drum, Silvana blieb verständnisvoll.
»Du bist viel mehr als nur das.«
»Ich besitze nichts von Wert und erst recht nichts, was ihr Interesse wecken könnte.«
»Wenn du nur wüsstest, wie viel du den Feuerzünglern wert sein könntest «, entgegnete Silvana mir.
Silvana schien aufrichtig besorgt. Ich konnte ihre Panikmache nicht nachvollziehen. Es sorgte mich nun, da ich eine Nacht darüber geschlafen und einen Tag darüber nachgedacht hatte, nicht mehr.
Aber Silvana begann plötzlich wie ein aufgescheuchtes Huhn
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