Golem stiller Bruder
Ewiger, unser Gott; du regierst die Welt. Du hast Mann und Frau geschaffen. Der Frau gabst du die Würde, Kinder zu gebären für eine neue Generation, die sich an der Schöpfung beteiligt, die Tora halten und dem Einen dienen wird. «
»Er möge leben und gesund sein«, sagte auch Jankel und fragte vorsichtig: »Und wo ist Josef?«
»Schon zum Lehrhaus gegangen. Freust du dich nicht? Deiner Familie wurde ein Sohn geboren.«
Jankel zwang sich zu einem Lächeln. »Doch, ich freue mich, er möge leben und gesund sein«, sagte er noch einmal. Er hatte zu wenig geschlafen, er fühlte sich erschöpft und müde. Er brach das Brot, sprach den Segen, trank einen Schluck Wasser.
Jente hatte sich zu ihm an den Tisch gesetzt. »Du bist bedrückt«, sagte sie, »du bist blass und unglücklich. Hast du Heimweh nach Mo ř ina? Sehnst du dich nach deiner Tante Schejndl? Fühlst du dich nicht wohl hier bei uns?«
Jankel zögerte. »Ich fürchte mich manchmal vor dem Hohen Rabbi«, sagte er vorsichtig. »Ich weiß nicht, was für ein Mensch er ist.«
Jente nahm seine Hände. »Er ist ein großer Mann, eine Leuchte der Weisheit, ein Heiliger, dessen Name ein Licht ist in der Finsternis der Verbannung. Keiner reicht an ihn heran. Schon als er jung war, so jung wie du jetzt, übertraf er bereits alle an Klugheit und Erkenntnis. Sogar als er noch ein Schüler war, erstrahlte sein Licht so hell, dass Reb Schmelke ihn als Schwiegersohn auswählte.«
»Ich kann ihn mir gar nicht als Jüngling vorstellen«, sagte Jankel.
Jente lachte. »Das kann man bei alten Menschen nie, aber keiner wird alt geboren. Soll ich dir erzählen, was es mit der Verlobung des Hohen Rabbis auf sich hatte?«
Jankel nickte.
»Damals war er natürlich noch kein Rabbi«, fing Jente an, »er war Talmudschüler. Hier bei uns, in der Judenstadt, lebte zu jener Zeit der reiche und fromme Gemeindevorsteher Reb Schmuel, den alle Reb Schmelke nannten. Ich weiß die Geschichte, weil meine Mutter sie mir erzählt hat, die damals bei Reb Schmelke in Diensten war. Als Perl, seine einzige Tochter, alt genug war, um verlobt zu werden, fiel die Wahl Reb Schmelkes auf den Talmudschüler Juda Löw ben Bezalel. Juda Löw war kaum fünfzehn Jahre alt, da wurde er mit Perl verlobt. Auf Wunsch Reb Schmelkes zog er danach nach Polen, nach Lublin, zu der berühmten Schule des Rabbi Salo mo, der damals als das Oberhaupt der Galut galt, als größter Stern am Himmel der jüdischen Wissenschaften.
Bald darauf verlor Reb Schmelke durch unglückliche Umstände sein ganzes Vermögen. Daher schrieb er an Juda Löw, der inzwischen schon achtzehn geworden war, dass er nicht in der Lage sei, die Mitgift für seine Tochter aufzubringen, Löw brauche sich also nicht mehr an sein Heiratsversprechen gebunden zu fühlen.
Juda Löw antwortete: ›Ich vertraue auf den Ewigen und warte, bis er Euch hilft, die Mitgift aufzubringen. Im Übrigen fühle ich mich an das Verlöbnis so lange gebunden, bis Ihr Eure Tochter mit einem anderen verheiratet.‹
Die Zeit verging, vielleicht zehn Jahre. Juda Löw heiratete nicht, sondern gab sich ganz dem Studium hin.
Inzwischen hatte Perl, um ihre armen Eltern und sich selbst zu ernähren, einen kleinen Laden für Salz und Brot aufgemacht. Eines Tages zogen Soldaten durch die Straßen Prags, unter ihnen ein hoher Offizier zu Pferd. Als er an Perls Laden vorbeikam, spießte er mit seinem Degen einen großen Laib Brot auf, den sie auf einem Brett ausgestellt hatte. Perl erschrak und bat den Offizier, ihr das Brot nicht wegzunehmen, ohne zu bezahlen, sie müsse mit dem, was dieser kleine, armselige Laden abwerfe, nicht nur sich selbst durchbringen, sondern auch ihre armen alten Eltern.
Der Reiter nahm den Sattel von seinem Pferd und warf ihn ihr hin. ›Ich habe Hunger‹, sagte er, ›und kann dir kein Geld für das Brot geben, also nimm diesen Sattel.‹
Perl nahm den Sattel, was sollte sie sonst tun, und fand zu ihrer Überraschung in der Tasche viele, viele Golddukaten, ein ganzes Vermögen an Golddukaten. Als sie sich von ihrem freudigen Schreck erholt hatte, lief sie schnell nach Hause, um ihren Eltern diesen Schatz zu zeigen.
Reb Schmelke wusste sofort, dass der Offizier kein anderer gewesen war als der Prophet Elijahu und dass ihm dieses Glück nur deshalb zuteil geworden war, weil sich sein zu künftiger Schwiegersohn durch seine Gelehrsamkeit große Verdienste im Himmel erworben hatte. Deshalb setzte er sich auf der Stelle hin, um ihm einen Brief
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