Golem stiller Bruder
Pritsche hin. »Setzt euch, etwas anderes kann ich euch nicht anbieten.«
Sie nahmen Platz, und der Rabbi erzählte mit kurzen Worten, was er von Doktor Balthasar erfahren hatte, dass der Kläger ein gewisser Kasimir Boskovicek sei, dessen Diener angaben, sie hätten gesehen, wie Reb Meisl das Kind getötet und in einen Sack gesteckt und dann weggeschleppt habe, und dass sie bereit waren, ihre Aussage zu beschwören.
Reb Meisl rang die Hände, jammerte laut und flehte den Ewigen um Hilfe und Errettung aus seiner Not an. Als er sich wieder etwas gefasst hatte, sagte er: »Dieser Boskovicek hat überall Schulden, nicht nur bei mir, aber bei mir die höchsten. Vor zwei Wochen wollte er wieder Geld, viel Geld, doch ich musste seinen Wunsch abschlagen, er hat nichts mehr, was er als Sicherheit anbieten könnte, genau genommen gehört sein ganzer Gutshof schon lange mir.« Reb Meisl schüttelte verzweifelt den Kopf. »Er hat geschworen, sich an mir zu rächen«, rief er. »Er hat gedroht, mich zu vernichten, das hat er wortwörtlich gesagt. Warum habe ich das nicht ernst genommen?« Er wischte sich die Tränen ab. »Andererseits, was hätte ich tun können, selbst wenn ich es ernst genommen hätte? Mein Leben liegt in der Hand dessen, der Himmel und Erde gemacht hat.«
Er schlug die Hände vors Gesicht und fing wieder an zu weinen. Der Rabbi legte den Arm um ihn. »Beruhige dich, mein Freund, wir werden alles tun, um dir zu helfen, das weißt du doch.«
Reb Meisl nahm die Hände vom Gesicht, hob hilflos die Schultern und ließ sie wieder fallen. »Und du weißt, dass gegen zwei christliche Zeugen, auch wenn es falsche Zeugen sind, das Zeugnis der gesamten Prager Judenschaft nichts ausrichtet. Nein, Löw, ich mache mir nichts vor, mich kann nur noch ein Wunder retten.«
Beide schwiegen lange. Dann sagte der Rabbi: »Wenn wir wenigstens wüssten, wer das tote Kind war, das könnte uns vielleicht weiterhelfen. Aber auch du kanntest die Kleine nicht, oder?«
Reb Meisl schüttelte den Kopf. »Ich habe sie nie zuvor gesehen.«
»Wir müssen es herausfinden«, sagte der Rabbi, »das ist unsere einzige Chance. Solange wir das nicht wissen, kommen wir gegen den Eid von Christen nicht an.«
Reb Meisl stand auf, strich sich über seinen schmutzig gewordenen Mantel und fuhr sich dann durch die Haare. Die Wunde an seinem Kopf war jetzt deutlicher zu sehen als am Tag zuvor, sie war verkrustet und fast schwarz. Reb Meisl drehte dem Rabbi den Rücken zu, vielleicht um ihn nicht zu bedrängen, um ihn nicht durch die Darstellung seiner Not zu etwas zu verleiten, was er freiwillig nicht tun wollte. »Hast du schon daran gedacht, Josef zu schicken?«, fragte er mit fast unhörbarer Stimme.
Jankel hob den Kopf, blickte verständnislos vom einen zum anderen.
»Ja«, antwortete der Rabbi, »das habe ich, aber allein kann er doch nichts ausrichten. Ich denke die ganze Zeit darüber nach.«
In diesem Moment wurde der Schlüssel geräuschvoll im Schloss umgedreht, die Tür ging auf, der Kerkermeister schob seinen Kopf herein. »Schluss jetzt, Ende des Besuchs.«
Den beiden Männern blieb keine Zeit, sich voneinander zu verabschieden, der Kerkermeister zerrte den Hohen Rabbi aus der Zelle. Jankel drehte sich auf der Schwelle noch einmal um. Reb Meisl stand da, ein Bild des Jammers, mit hängenden Armen und einer Verzweiflung, wie Jankel sie noch nie im Gesicht eines Menschen gesehen hatte.
Auf dem Rückweg schwiegen sie. Der Rabbi schien so in seine Gedanken versunken zu sein, dass Jankel nicht wagte, etwas zu sagen. Immer wieder sah er das Bild vor sich, wie Reb Meisl in seiner Zelle stand. Der Himmel hatte sich bezogen, die Luft war kühl, der Herbst kündigte sich an. Jankel knöpfte den obersten Knopf seiner Jacke zu und zog die Schultern hoch.
Als sie durch das Altschultor gingen, trat ihnen Schmulik in den Weg. Jankel sah ihm sofort an, dass etwas passiert war. Sein Gesicht war weiß, die Sommersprossen traten deutlich hervor, seine schönen Augen waren größer und dunkler als sonst. »Rabbi«, sagte er und Jankel hörte das unterdrückte Weinen in seiner Stimme. »Rabbi, es ist ein Unglück geschehen. Ich habe hier auf euch gewartet, Jente hat gesagt, dass ihr bald zurückkommen müsstet.«
Der Rabbi blieb stehen. »Was ist passiert?«, fragte er, und Jankel betrachtete seinen Freund, dessen Hände hilflos an ihm herunterhingen.
»Rabbi«, sagte Schmulik. »Koppel ist in seine Welt gegangen.«
Der Rabbi erschrak und
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