Golem und Dschinn: Roman (German Edition)
Licht – hüllte sie in Schatten, erhellte sie mit brillanten weißen Punkten, wenn die Sonnenstrahlen auf eine Hügelkette fielen.
Endlich war es drei Uhr, und er kehrte in das Mietshaus zurück. Ein sieben- oder achtjähriger Junge öffnete die Tür. Er hatte die Züge seiner Mutter geerbt, sah jedoch gesünder aus als sie. Der Junge blickte Arbeely geduldig unter dichten, zerzausten schwarzen Locken hervor an und drehte dabei den Türknauf hin und her.
»Hallo«, sagte Arbeely zögernd. »Ich heiße Boutros. Deine Mutter hat mir erzählt, dass du manchmal Aufträge für Thomas Maloof erledigst.«
Zustimmendes Nicken.
»Weißt du, wo er wohnt?«
Noch ein Nicken.
»Kannst du mich zu ihm bringen?« Er hielt ihm ein Zehn-Cent-Stück hin.
Beunruhigend flink nahm der Junge die Münze aus Arbeelys Hand und verschwand in der Wohnung. Er hörte Gemurmel und den leisen Schmatzer eines Kusses, und dann sauste der Junge an Arbeely vorbei die Treppe hinunter, eine Kappe auf die Locken gedrückt, seine dünnen Arme in den Ärmeln eines zu großen Mantels.
Arbeely folgte dem Jungen, der zielgerichtet Richtung Irishtown ging. Er kam sich im Schlepptau dieser kleinen wollenen Vogelscheuche albern vor, doch wenn er ihn einholte, schritt Matthew schneller aus. Sie kamen an einer Gruppe älterer Jungen vorbei, die müßig auf einer Treppe saßen und Zigaretten rauchten. Einer von ihnen rief etwas auf Englisch, sein Tonfall war spöttisch. Matthew reagierte nicht darauf, und die anderen Jungen kicherten.
»Was hat er gesagt?«, fragte Arbeely, aber der Junge antwortete nicht.
Das Gebäude, zu dem Matthew ihn führte, wirkte sauberer und heller als seine Nachbarn. Die Tür öffnete sich in eine große Eingangshalle. Eine dicke Frau mit teigigem Gesicht starrte sie an. Der Junge flüsterte nahezu unhörbar eine Frage auf Englisch; die Frau nickte, warf Arbeely einen misstrauischen Blick zu und schloss die Tür. Arbeely und der Junge standen nebeneinander auf der Treppe und vermieden es, sich anzusehen.
Ein paar Minuten später kam Maloof heraus. »Der Kupferschmied!«, rief er. »Und der kleine Matthew! Stimmt irgendetwas nicht?«
»Nein, alles in Ordnung«, sagte Arbeely – was natürlich nicht ganz der Wahrheit entsprach. »Ich habe etwas in der Werkstatt, was ich Ihnen zeigen muss.« Maloof runzelte die Stirn, und Arbeely fügte rasch hinzu: »Ich würde Sie nicht bemühen, wenn ich es nicht für wichtig hielte. Mein Lehrling hatte eine Idee für Ihre Decke, und ehrlich gesagt, sie ist unglaublich. Aber Sie müssen sie selbst sehen, um es zu verstehen.«
Die Aufregung des Kupferschmieds musste ansteckend gewesen sein, denn Maloof holte seinen Mantel und folgte den beiden zu der Werkstatt. Matthew wartete geduldig, bis Arbeely die Tür aufgeschlossen hatte, bevor er sich hinter ihm in die Werkstatt schob, als stünde auch für ihn etwas auf dem Spiel.
Das nachmittägliche Licht war jetzt schwächer, aber noch stark genug, hoffte Arbeely. Er sagte nichts, sondern blieb im Hintergrund stehen, während Maloof die Blechskulptur argwöhnisch umrundete.
»Also groß ist es«, sagte der Hausbesitzer. »Aber ich bin etwas verwirrt. Was genau schaue ich da an?«
Einen Augenblick später blieb er stehen. Er blinzelte und verlagerte das Gewicht abrupt auf die Fersen. Arbeely lächelte – ihm war es ebenso ergangen, als die Perspektive sich verändert hatte –, als ob man ihm den Boden unter den Füßen weggezogen hätte. Maloof lachte.
»Erstaunlich!« Er ging in die Hocke und betrachtete das Blech aus der Nähe, dann richtete er sich wieder auf und lachte erneut. Er umrundete das Blech, studierte es aus verschiedenen Winkeln. »Erstaunlich«, sagte er noch einmal. Der Junge war in die Hocke gegangen, hatte die Arme um die Knie geschlungen und schaute das Blech aus weit aufgerissenen Augen an.
Maloof kicherte noch eine Weile vor sich hin, dann sah er, dass Arbeely ihn beobachtete. Sofort setzte er eine geschäftsmäßige, neutrale Miene auf. »Aber ich muss sagen, es ist nicht genau das, was ich mir vorgestellt habe«, sagte er. »Ich wollte einzelne Platten mit einem sich wiederholenden Muster, nicht ein großes Teil, und ich habe etwas Klassischeres erwartet. Ich bin überrascht und, ja, unzufrieden, dass Sie so weit gegangen sind, ohne mich zu fragen.«
»Ich muss mich entschuldigen. Nicht ich habe dieses Teil gemacht, sondern mein Lehrling. Und um ehrlich zu sein, ich bin ebenso überrascht wie Sie. Ich habe es
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