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Golem und Dschinn: Roman (German Edition)

Golem und Dschinn: Roman (German Edition)

Titel: Golem und Dschinn: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helene Wecker
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erst vor ein paar Stunden zum ersten Mal gesehen.«
    »Der große Mann? Er hat das gemacht, ganz allein? Aber es ist doch gerade erst ein Tag vergangen!«
    »Er hat gesagt, dass er … inspiriert war.«
    »Unglaublich«, sagte Maloof. »Aber warum ist er nicht hier, um es mir selbst zu zeigen?«
    »Ich fürchte, das ist meine Schuld. Als ich gesehen habe, was er getan hat, bin ich wütend geworden. Wie Sie sagen, es ist nicht das, was Sie wollten. Er ist zu weit gegangen, ohne Ihre oder meine Zustimmung einzuholen. So macht man keine Geschäfte. Aber er ist ein Künstler und vergisst bisweilen geschäftliche Belange. Leider haben wir gestritten, und er ist gegangen.«
    Maloof blickte beunruhigt drein. »Für immer?«
    »Nein, nein«, sagte Arbeely rasch. »Ich glaube, er war in seinem Stolz verletzt und wird zurückkommen, sobald er entschieden hat, dass ich genug gelitten habe.«
Bitte, lass es so sein
, dachte er flehentlich.
    »Ich verstehe«, sagte Maloof. »Das klingt, als wäre es nicht leicht, mit ihm zusammenzuarbeiten. Aber so sind Künstler nun eben, oder? Und ohne Künstler keine Kunst.«
    Gemeinsam betrachteten die Männer die Skulptur. Sie war so detailliert, dass Arbeely sich vorstellen konnte, wie winzige Schakale und Hyänen hinter den Felsen hervorkamen, oder ein kleines Wildschwein, kräftig und breitbrüstig, auf dessen blechernen Hauern die letzten Sonnenstrahlen aufblitzten.
    »Es ist nicht das, worum ich gebeten habe«, sagte Maloof.
    »Nein«, stimmte ihm Arbeely betrübt zu.
    »Und wenn ich nein sage? Was passiert dann damit?«
    »Da es zu groß ist, um es in der Werkstatt liegen zu lassen, und es keine anderen Käufer gibt, werde ich von dem Material retten, was davon zu retten ist, und den Rest wegwerfen. Eine Schande, aber so ist es eben.«
    Maloof zuckte zusammen, als hätte er plötzlich Schmerzen. Er fuhr sich mit der Hand durchs Haar und wandte sich dann an das Kind zu seinen Füßen. »Also, Matthew, was meinst du? Soll ich dieses gigantische Stück Blech kaufen und es in deinem Haus aufhängen?«
    Der Junge nickte.
    »Auch wenn es nicht das ist, was ich wollte?«
    »Das ist besser«, sagte der Junge. Es war das erste Mal, dass Arbeely ihn sprechen hörte.
    Maloof lachte überrascht auf. Er steckte die Hände in die Taschen und kehrte der Weißblechdecke den Rücken. »Das ist absurd«, sagte er. »Wenn ich ja sage, kaufe ich etwas, was ich nicht wollte. Und wenn ich mich weigere, bin ich wie ein Mann, der sich beschwert, dass ihm jemand die Eier aus dem Hühnerstall gestohlen und Rubine dafür hingelegt hat.« Er wandte sich Arbeely zu. »Ich werde das Ding unter einer Bedingung kaufen. Ihr Lehrling muss zurückkommen und mir in allen Einzelheiten erklären, was er abgesehen von dieser Platte noch vorhat. Noch eine Überraschung, und ich ziehe mein Angebot zurück. Einverstanden?«
    Arbeely war erleichtert. »Einverstanden.«
    Die Männer schüttelten sich die Hände. Maloof blickte noch einmal melancholisch auf seine neue Decke und ging.
    Matthew saß noch auf dem Boden neben der Wüste aus Blech, die jetzt fast ganz im Schatten lag. Der Junge hob die Hand und fuhr damit über die Bergkette, die ihm am nächsten war, knapp über dem Blech, als hätte er Angst, es zu berühren – oder, dachte Arbeely, als würde er sich vorstellen, dass seine Finger Habichte oder Falken waren, die über den Berggipfeln schwebten, über das Rückgrat der Erde flogen.
    »Danke, Matthew«, sagte Arbeely. »Du warst mir eine große Hilfe heute.«
    Matthew schwieg. Arbeely folgte einem Impuls: Er musste diesen seltsamen ernsten Jungen zum Lächeln bringen! Er sagte: »Möchtest du meinen Mitarbeiter Ahmad kennenlernen? Der diese Decke gemacht hat?«
    Das brachte ihm die ganze Aufmerksamkeit des Jungen ein.
    »Dann komm morgen nach der Schule vorbei, wenn deine Mutter nichts dagegen hat. Wirst du kommen?«
    Ein heftiges Kopfnicken, und dann stand Matthew auf und stieg die Treppe hinauf. Er lächelte nicht wirklich, aber seine kleine Gestalt hatte etwas Leichtes und Kraftvolles, das vorher nicht da gewesen war. Dann war er verschwunden, und die Tür krachte hinter ihm ins Schloss.
    »Also«, sagte Arbeely allein in seiner Werkstatt. »Also, also, also.«

    Es wurde Nacht, und nach wie vor verfolgte Saleh den glühenden Mann. Unglaublich, dass sie noch immer in New York waren. Der eisige Wind drang durch seine Kleidung. Der geprellte Arm war taub geworden, und seine Beine zitterten vor Erschöpfung. Eine

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