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Golem und Dschinn: Roman (German Edition)

Golem und Dschinn: Roman (German Edition)

Titel: Golem und Dschinn: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helene Wecker
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einer Befragung vehement leugnete –, und geht davon aus, dass diejenigen, die von einem weiblichen Angreifer berichten, die Polizei in die Irre führen wollten. Die Ermittlungen sind noch nicht abgeschlossen.

    Der Frühling ging langsam in Sommer über. Im Central Park legten sich Männer mit Strohhüten in die Riemen der gemieteten Ruderboote, während ihre Liebsten am Bug das Ufer nach Freundinnen und Rivalinnen absuchten. In Coney Island aßen junge Eltern Wiener Würstchen für zehn Cent, während ihre Kinder schreiend am Strand entlangliefen. In dem neuen U-Bahntunnel unter der Bucht verlegten schwitzende Männer Schienen und versuchten, nicht an das tödliche Gewicht des Wassers über ihren Köpfen zu denken.
    Es schien, als hätte der Wechsel der Jahreszeit alle verjüngt – bis auf einen. Wochen waren vergangen, seit Yehudah Schaalman den Golem in der Bäckerei der Radzins gesehen und gespürt hatte, wie sein Zauber anschlug. Seitdem war er in einer tiefen Depression versunken. Nächtelang lag er auf seiner schmalen Pritsche wach und grübelte. War
sie
das Ziel seiner Suche gewesen? Unmöglich! Sie war nur ein Golem! Ein intelligenter Golem und offenbar gesegnet mit Fähigkeiten, die er nicht beabsichtigt hatte – aber dennoch ein Golem, gemacht, um zu malochen und zu beschützen. Wenn er wollte, könnte er ein Dutzend davon erschaffen. Und doch war der Zauber bei ihrem Anblick endlich aktiv geworden. Sein Traum hatte ihm zugeflüstert, dass das
ewige Leben
irgendwo in New York zu finden war, und konnte man nicht von einem Golem, der nahezu unverwundbar und frei von den Beschränkungen einer menschlichen Lebensspanne war, behaupten, dass ihm ewiges Leben beschieden war?
    Er wälzte sich im Bett hin und her, die Laken wanden sich um seine knochige Gestalt, und er fragte sich, ob der Allmächtige Spielchen mit ihm trieb. Was sollte er bloß tun? Er konnte ihr nicht folgen, ohne sie auf seine Gedanken aufmerksam zu machen. Und unterdessen rückte der Todesengel immer näher.
    Genug
, dachte er. Selbstmitleid brachte ihn keinen Schritt weiter. Der Zauber hatte auf den Golem gedeutet. Und wenn schon. Der Zauber war eine seiner nicht überprüften Erfindungen, und die waren nie präzise. Vielleicht hatte der Zauber einfach auf ihren Ursprung reagiert, das unsterbliche Wissen jüdischer Mystiker vergangener Jahrhunderte.
    Es war nur eine leise Hoffnung, aber er durfte nicht aufgeben. Sonst hätte er gleich sein Leben beenden und dem Allmächtigen den Sieg zugestehen können.
    Und so nahm Schaalman, getrieben von nichts anderem als verbissener Willenskraft, seine Suche wieder auf. Er ging noch einmal den Weg ab, suchte die ältesten orthodoxen Synagogen mit den gelehrtesten Rabbis, den größten Bibliotheken auf. In jeder bat er um eine Audienz beim Oberrabbiner und erklärte, er sei ein ehemaliger Jeschiwa-Lehrer, der vor kurzem aus Polen gekommen sei. Er sei interessiert daran, ehrenamtlich für sie zu arbeiten in welcher Funktion auch immer. Was könne der Rabbi ihm über die Gemeinde erzählen? Hielt sie sich an die alten Sitten, die traditionellen Lehren?
    Jeder Rabbi, erfreut über dieses unerwartete Angebot –
ehrenamtlich, haben Sie gesagt
? –, bat Schaalman in sein Arbeitszimmer und beschrieb die Vorzüge seiner Gemeinde, den Kampf gegen die um sich greifende Säkularisierung und die ungesunden modernen Einflüsse. Manche Gemeinden gestatteten heutzutage sogar, dass während der Predigt geschnupft wurde, könne er sich das vorstellen? Schaalman schüttelte betrübt den Kopf und tätschelte die Hand des Rabbis auf sehr merkwürdige Weise.
    Der Rabbi verstummte und regte sich nicht mehr, seine Miene nahm einen verträumten Ausdruck an.
    Ihr wertvollstes Buch
, sagte Schaalman dann.
Das gefährliche, das Sie vor Ihren Kollegen verbergen
 –
wo bewahren Sie es auf?
    Die ersten Rabbis antworteten,
So ein Buch habe ich nicht
; und Schaalman weckte sie auf, sah zu, wie sie ihre Verwirrung wegblinzelten, entschuldigte sich und zog weiter. Bis ein Rabbi sagte:
    Ich habe es nicht mehr.
    Interessant, dachte Schaalman.
Was ist damit passiert?
    Avram Meyer hat es mitgenommen. Frieden seiner Seele.
    Warum hat er es mitgenommen?
    Das hat er nicht gesagt.
    Wo ist es jetzt?
    Ich wünschte, ich wüsste es.
    Er weckte den Mann, weil er sich nicht traute, noch mehr Fragen zu stellen – der Zauber konnte in längeren Dosen irreparablen Schaden anrichten, und er wollte keine Spur aus verwirrten Rabbis hinter sich

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