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Golem und Dschinn: Roman (German Edition)

Golem und Dschinn: Roman (German Edition)

Titel: Golem und Dschinn: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helene Wecker
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nachgedacht«, sagte Arbeely. »Hättest du Lust, Schmuck für Frauen zu machen? Sam Hosseini hat viele Aufträge von reichen Frauen außerhalb unseres Viertels, die gern exotischen Schmuck tragen. Wenn wir ihm ein Exemplar geben, könnte er es für uns ins Schaufenster legen.« Er hielt inne. »Was sagst du dazu? Eine Halskette vielleicht. Das ist zwar nicht so aufregend wie eine Deckenverkleidung, aber interessanter als Töpfe und Pfannen.«
    Eine lange Weile herrschte Schweigen. Dann sagte Ahmad: »Ich denke schon, dass ich eine Halskette machen könnte.«
    »Gut! Das ist gut. Nachdem ich mit Matthews Mutter gesprochen habe, gehe ich bei Sam vorbei.« Er verließ die Werkstatt mit einem besorgten Blick über die Schulter und hoffte, dass, was immer seinen Partner bekümmerte, sich bald von selbst lösen würde.
    Der Dschinn saß allein in der Werkstatt und schaute auf das prasselnde Feuer in der Esse. Als Arbeely die Halskette erwähnte, war ein Bild vor seinem geistigen Auge aufgetaucht: eine verschlungene Kette aus goldenen und silbernen Gliedern, an der Plättchen aus blauweißem Glas hingen, durchwirkt mit Filigran. So eine Kette hatte er nie zuvor gesehen, das Bild war einfach aufgetaucht wie die Decke aus Blech. Er sollte vermutlich dankbar dafür sein. Jetzt hatte er etwas zu tun.
    Als er aufstand, um das Material zu holen, spürte er etwas in seiner Tasche. Den Zettel aus dem Medaillon des Golems. Den hatte er ganz vergessen.
    Er zog ihn heraus, hielt ihn misstrauisch in der Hand und wagte nicht, ihn zu öffnen. Ihr geheimster Besitz, und er hatte ihn gestohlen. Der Gedanke war auf kleinliche Weise befriedigend, doch während er den Zettel noch in der Hand hielt, stieg Furcht in ihm auf. Er dachte daran, ihn zu vernichten, doch er zögerte. Er hatte ihn, ohne nachzudenken, an sich genommen, und jetzt war er zu einer Belastung geworden, die er nicht tragen wollte.
    Was sollte er damit tun? Die Werkstatt war nicht sicher, seine Wohnung kaum besser. Nachdem er kurz überlegt hatte, zog er seinen Hemdsärmel zurück und schob den Zettel unter die Schelle aus Eisen, sodass er zwischen dem warmen Metall und seiner Haut steckte. Er passte gerade dazwischen. Er winkelte das Handgelenk an, um zu überprüfen, ob der Zettel verrutschte, doch das Papier blieb, wo es war. Er konnte nahezu vergessen, dass es da war.
     
    Als Matthew ein paar Minuten später die Tür zur Werkstatt einen Spalt öffnete, sah er Ahmad mit dem Rücken zu ihm über die Arbeit gebeugt dasitzen. Mit lautlosen Schritten ging er zum Rand der Werkbank, gerade außerhalb der Sichtweite des Dschinns.
    In der einen Hand hielt Ahmad mit einer Schmuckzange ein kurzes Stück Silberdraht. Mit der anderen Hand strich er langsam und vorsichtig über den Draht. Matthew sah zu, wie der Draht rot zu glühen begann. Dann nahm Ahmad mit einer schnellen geschmeidigen Bewegung das lose Ende des Drahts und bog es um die Zange, sodass ein vollkommener Kreis entstand. Er öffnete die Zange und drückte die beiden Drahtenden zusammen, die miteinander verschmolzen. Jetzt sah Matthew, dass eine Reihe dieser Glieder von dem gerade Geformten herabhingen. Der Dschinn drehte sich zur Seite, um ein weiteres Drahtstück zu nehmen, als er Matthew bemerkte.
    Eine Weile starrten der Junge und der Dschinn sich an. Dann sagte der Dschinn: »Du hast es gewusst?«
    Der Junge nickte.
    »Woher?«
    Der Junge flüsterte: »Die Decke. Ich habe dich und Mr. Arbeely gehört. Du hast dort gewohnt.«
    Der Dschinn erinnerte sich an das Gespräch unter vier Augen in der Eingangshalle. »Hat es sonst noch jemand gehört?« Der Junge schüttelte den Kopf,
nein.
»Hast du es jemandem erzählt?«
Nein.
»Nicht einmal deiner Mutter?«
Nein.
    Der Dschinn atmete innerlich auf. Es war schlimm, aber es hätte noch schlimmer kommen können. »Sag Arbeely nicht, dass du Bescheid weißt. Sonst wird er böse auf mich. Versprichst du mir das?«
    Der Junge nickte heftig und ergriff eine Hand des Dschinns. Er untersuchte sie gewissenhaft, stieß mit den eigenen Fingerspitzen gegen seine Handfläche, als würde er damit rechnen, dass sie in Flammen aufging. Der Dschinn schaute ihm eine Weile amüsiert zu und schickte dann einen kleinen Hitzeimpuls in seine Hand. Der Junge schnappte nach Luft, ließ sie los und steckte die Finger in den Mund.
    »Hast du dir wehgetan?«
    Matthew schüttelte den Kopf. Der Dschinn nahm die Hand des Jungen und betrachtete sie – keine roten Flecken oder Blasen. Er hatte sich

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