Golem und Dschinn: Roman (German Edition)
übernehmen kannst, wenn er umzieht.«
»Aber George Shalhoub zieht nicht um.«
»Wirklich? Dann muss ich gestern mit einer anderen Sarah Shalhoub geredet haben. Ihr Sohn hat in Albany Arbeit gefunden, und sie erträgt es nicht, so weit weg von ihm zu sein, deswegen will sie George überreden, dass sie auch umziehen. Wenn jemand andeuten würde, dass er seinen Mietvertrag übernimmt, dann kann sich George vielleicht leichter an den Gedanken gewöhnen.« Und der Mann beglich eilig seine Rechnung und lief los, um George Shalhoub aufzusuchen.
Und währenddessen sah ihr Sayeed Faddoul von seiner kleinen Küche aus lächelnd zu. Ein anderer Mann wäre eifersüchtig geworden, nicht jedoch Sayeed. Er war ein stiller Mann – nicht unbeholfen, wie Arbeely sein konnte, sondern von einem ruhigen, gefestigten Naturell, das die herzliche Lebhaftigkeit seiner Frau ergänzte. Er wusste, dass Maryam sich nur aufgrund seiner Anwesenheit so ungezwungen verhalten konnte; eine unverheiratete Frau oder eine Frau, deren Mann nicht so sichtbar gewesen wäre, hätte ihren Überschwang zügeln müssen, oder sie hätte anzügliche Anspielungen riskiert und ihren Ruf ruiniert. Aber alle Welt konnte sehen, dass Sayeed stolz auf seine Frau und mehr als zufrieden war, sich im Hintergrund zu halten und ihr zu ermöglichen, ihr Licht leuchten zu lassen.
Schließlich setzte Arbeely seinen Plan in die Tat um. Ein Botenjunge wurde zu den Faddouls geschickt, um Maryam mitzuteilen, dass ihre Flasche repariert war. Am Nachmittag kam sie, die Schürze umgebunden, um sie herum der dunkle Duft gerösteten Kaffees. Wie immer machte Arbeelys Herz bei ihrem Anblick einen kleinen erfreuten Hüpfer, als wollte es sagen:
Ah, ja.
Wie viele Männer aus dem Viertel war er ein bisschen verliebt in Maryam Faddoul. Was für ein Glück Sayeed doch hatte, so die einhellige Meinung ihrer Verehrer, dass er immer im Strahlen dieser glänzenden Augen und dieses verständnisvollen Lächeln leben durfte! Aber keiner dachte auch nur im Traum daran, Annäherungsversuche zu machen, selbst die nicht, die die Konventionen des Anstands lediglich als Hindernisse betrachteten, die es zu überwinden galt. Alle wussten, dass Maryams Lächeln strahlte, weil sie an das Gute in den Menschen um sie herum glaubte. Mehr von diesem Lächeln für sich zu beanspruchen, hätte es erlöschen lassen.
»Mein lieber Boutros!«, sagte sie. »Warum sehe ich dich nicht öfter im Kaffeehaus? Bitte, sag mir, dass sich deine Aufträge verdoppelt haben und du Tag und Nacht arbeiten musst, denn eine andere Entschuldigung akzeptiere ich nicht.«
Arbeely wurde rot, lächelte und wünschte, er wäre nicht so nervös. »Das Geschäft geht wirklich gut, und ich habe mehr Arbeit, als ich allein erledigen kann. Ja, ich muss dir meinen neuen Assistenten vorstellen. Er ist vor einer Woche angekommen. Ahmad!«, rief er ins Hinterzimmer. »Komm, ich möchte dir Maryam Faddoul vorstellen.«
Der Dschinn kam aus dem Lagerraum und zog den Kopf ein, als er über die Türschwelle trat. In der Hand hielt er die Flasche. »Guten Tag, Madam«, sagte er lächelnd und hielt ihr die Flasche hin. »Freut mich sehr, Sie kennenzulernen.«
Die Frau war eindeutig höchst erstaunt. Sie starrte den Dschinn an. Einen Moment lang ließ Arbeely rasch den Blick zwischen ihnen hin- und herwandern und vergaß seine Angst, weil er plötzlich eifersüchtig war. Schaute sie ihn nur so lange an, weil der Dschinn so gut aussah? Nein, da war noch etwas anderes, das Arbeely bei ihrer ersten turbulenten Begegnung ebenso empfunden hatte: ein unwiderstehlicher Magnetismus. Der Mensch stand vor etwas Neuem und wusste noch nicht, ob es Freund oder Feind war.
Dann wandte sich Maryam Arbeely zu und gab ihm einen Klaps auf die Schulter.
»Au!«
»Boutros, du bist schrecklich! Versteckst ihn vor uns und sagst kein Wort! Keine Ankündigung, kein Willkommen – er muss uns alle für fürchterlich unhöflich halten. Oder schämst du dich etwa für uns?«
»Bitte, Mrs. Faddoul, ich habe ihn darum gebeten«, sagte der Dschinn. »Ich bin auf der Überfahrt krank geworden und lag bis vor ein paar Tagen im Bett.«
Augenblicklich verwandelte sich ihre Empörung in Besorgnis. »Oh, Sie armer Mann«, sagte sie. »Sind Sie in Beirut in See gestochen?«
»Nein, Kairo«, antwortete er. »Auf einem Frachtschiff. Ich habe einem Mann Geld gegeben, der mich versteckt hat, und dann wurde ich krank. Wir haben in New Jersey angelegt, und dort konnte ich mich
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