Golem und Dschinn: Roman (German Edition)
anscheinend mit dem Glück beschützte, das er Narren und kleinen Kindern vorbehielt. Viele wunderten sich, dass Arbeely einen Lehrling aufnahm, der so wenig vorzuweisen hatte. Aber andererseits galt auch Arbeely als ein bisschen seltsam, und Gleich und Gleich gesellt sich bekanntlich gern.
»Außerdem«, sagte ein Mann im Kaffeehaus und drehte einen Backgammon-Stein zwischen den Fingern, »klingt es so, als ob Arbeely ihm das Leben gerettet hätte oder zumindest fast. Die Beduinen haben Grundsätze, wenn es darum geht, Schulden zurückzuzahlen.«
Sein Mitspieler kicherte. »Hoffen wir für Arbeely, dass der Mann wirklich schmieden kann.«
Arbeely war von Herzen froh, als die Besucherflut abebbte. Abgesehen von dem Druck, ihre erfundene Geschichte aufrechtzuerhalten, hatte er so viel Zeit mit seinen Nachbarn verbracht, dass er mit der Arbeit weit im Rückstand war. Und es schien, als hätte jeder Besucher etwas mitgebracht, was geflickt werden musste, und die Werkstatt stand voller verbeulter Lampen und verbrannter Töpfe. Viele Reparaturen waren nur kosmetisch, und es lag auf der Hand, dass der Auftrag mehr als nachbarschaftliche Unterstützung gedacht, als tatsächlich notwendig war. Arbeely war dankbar und fühlte sich dabei ein bisschen schuldig. Wenn man die Reihen beschädigter Dinge sah, mochte man glauben, in Little Syria sei plötzlich die Tollpatschigkeit ausgebrochen.
Den Dschinn amüsierte die Aufmerksamkeit. Er hatte keine Mühe, bei seiner Geschichte zu bleiben; die meisten Besucher waren zu höflich, um nach vielen Einzelheiten zu fragen. Laut Arbeely hatte die Beduinengeschichte etwas Glamouröses, das sich zu seinen Gunsten auswirken würde. »Sei ein bisschen vage«, hatte Arbeely zu ihm gesagt, als sie ihren Plan ausarbeiteten und die Geschichte einübten. »Erzähl von der Wüste. Das wird ihnen gefallen.« Dann war ihm ein Gedanke gekommen. »Du brauchst einen Namen.«
»Was schlägst du vor?«
»Etwas weit Verbreitetes, würde ich sagen. Mal sehen – Bashir, Ibrahim, Ahmad, Haroun, Hussein –«
Der Dschinn runzelte die Stirn. »Ahmad?«
»Gefällt er dir? Das ist ein guter Name.«
Es war nicht so sehr, dass er ihm gefiel, vielmehr fand er ihn weniger unangenehm als die anderen. In den beiden As hörte er den Wind, ein fernes Echo seines früheren Lebens. »Wenn du meinst, dass ich einen Namen brauche, dann ist er vermutlich so gut wie jeder andere.«
»Du brauchst auf jeden Fall einen Namen. Dann also Ahmad. Vergiss nur bitte nicht, darauf zu reagieren.«
Der Dschinn vergaß es nicht, aber es war das einzige Detail von Arbeelys Plan, das ihm missfiel. Der neue Name schien nahe zu legen, dass die Veränderungen, die er hinter sich hatte, so drastisch und tiefgreifend waren, dass er zu einem anderen Wesen geworden war. Er versuchte, diese düsteren Gedanken zu verscheuchen und konzentrierte sich stattdessen darauf, höflich zu antworten und seine Geschichte aufrechtzuerhalten – doch hin und wieder, wenn er auf das Geplauder der Besucher hörte, sagte er sich in Gedanken seinen wahren Namen vor und ließ sich von seinem Klang trösten.
Von all den Leuten, denen Maryam Faddoul von dem Neuankömmling erzählte, reagierte nur ein Mann mit Gleichgültigkeit: Mahmoud Saleh, der Eisverkäufer von der Washington Street. »Hast du schon gehört?«, sagte sie zu ihm. »Boutros Arbeely hat einen neuen Lehrling.«
Saleh gab einen Laut wie »Mhm« von sich und schöpfte Eis aus seiner Maschine in eine kleine Schale. Sie unterhielten sich auf dem Gehweg vor Maryams Kaffeehaus. Kinder mit Münzen in den Händen standen vor ihm Schlange. Saleh hielt eine Hand hin, ein Kind legte eine Münze darauf. Er steckte das Geld ein und reichte ihm die Eiscremeschale, darauf bedacht, weder dem Kind noch Maryam ins Gesicht zu schauen oder überhaupt irgendwohin zu blicken außer auf seine Maschine oder den Gehweg. »Danke, Mister Mahmoud«, sagte das Kind – eine Höflichkeit, die, wie er wusste, nur Maryams Anwesenheit geschuldet war. Es klapperte, als das Kind einen Löffel aus dem Becher nahm, der an der Seite seines kleinen Wagens befestigt war.
»Er ist Beduine«, erzählte Maryam. »Und ziemlich groß.«
Saleh sagte nichts. Er sprach aus Prinzip wenig. Doch Maryam ließ sich – anders als die meisten im Viertel – von seinem Schweigen nicht aus der Ruhe bringen. Sie schien zu wissen, dass er ihr zuhörte.
»Kanntest du Beduinen in Homs, Mahmoud?«, fragte sie.
»Ein paar«, sagte er und
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