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Golem und Dschinn: Roman (German Edition)

Golem und Dschinn: Roman (German Edition)

Titel: Golem und Dschinn: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helene Wecker
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würde.
    Der Mann seufzte müde und fasste den Golem am Arm, als wollte er sie daran hindern davonzulaufen. »Sie müssen mit mir kommen, Ma’am.«
    »Wohin gehen wir?«
    »Sie müssen eine Weile im Schiffsgefängnis bleiben, bis wir die Passagiere abgefertigt haben, und dann werden wir Ihnen ein paar Fragen stellen.«
    Was sollte sie tun? Sie konnte keine Fragen beantworten, ohne sich zu erkennen zu geben. Schon starrten sie alle an. Beunruhigt wand sie den Arm, den der Mann festhielt, und schaute sich nach einem Ausweg um. Sie fuhren noch immer in der Mitte des Flusses, kleinere Schiffe glitten an ihnen vorbei. Jenseits der geschäftigen Piers funkelte die Stadt sie einladend an.
    Der Mann packte ihren Arm fester. »Ma’am. Ich will Sie nicht zwingen müssen.«
    Aber er wollte sie nicht zwingen, das sah sie. Er wollte überhaupt nichts mit ihr zu tun haben. Mehr als alles andere wünschte sich der Mann, dass sie verschwinden würde.
    Der Golem lächelte leise. Endlich ein Wunsch, den sie erfüllen konnte.
    Mit einer abrupten Bewegung des Ellbogens befreite sie sich aus dem Griff des verdutzten Mannes und lief zur Reling. Bevor auch nur jemand schreien konnte, schwang sie sich darüber, sprang in den schimmernden Hudson und ging unter wie ein Stein.
     
    Ein paar Stunden später sah ein Schauermann, der an der Ecke West und Gansevoort Street eine Zigarette rauchte, eine Frau an sich vorbeigehen, die vom Fluss kam. Sie war patschnass. Sie trug eine wollene Männerjacke und ein braunes Kleid, das unanständig an ihrem Körper klebte. Ihr Haar war an den Kopf geklatscht. Am meisten erstaunte ihn jedoch der dicke brackige Schlamm, der ihren Rock und ihre Schuhe bedeckte.
    »He, Miss«, rief er ihr zu, »waren Sie schwimmen?«
    Die Frau bedachte ihn mit einem merkwürdigen Lächeln. »Nein«, sagte sie. »Ich bin gegangen.«

Kapitel  2
    I n Little Syria, einem Viertel in Lower Manhattan, nicht weit von der Stelle entfernt, an der der Golem an Land ging, lebte ein Kupferschmied namens Boutros Arbeely. Arbeely war ein Maronit aus dem geschäftigen Dorf Zahleh, das sich in einem Tal unterhalb des Libanon-Gebirges befand. Aufgewachsen war er zu einer Zeit, als es schien, dass jedermann unter Dreißig Großsyrien verließ, um sein Glück in Amerika zu suchen. Manche wurden angestachelt von den Erzählungen der Missionare oder von Verwandten, die die Reise gemacht hatten und Briefe voller Geldscheine schickten. Andere wollten dem Militärdienst und den hohen Steuern entgehen, die ihnen die osmanischen Machthaber auferlegten. Insgesamt waren so viele Menschen ausgewandert, dass in manchen Dörfern kein Markt mehr stattfand und die Trauben an den Weinstöcken platzten.
    Arbeelys verstorbener Vater hatte fünf Brüder, und über Generationen war ihr Land immer wieder geteilt worden, bis die Parzellen so klein waren, dass es kaum die Mühe lohnte, etwas anzupflanzen. Arbeely selbst bekam als Lehrling eines Kupferschmieds nur einen Hungerlohn. Seine Mutter und die Schwestern züchteten Seidenraupen, um etwas dazuzuverdienen, aber es reichte einfach nicht. Die Auswanderungswelle nach Amerika war Arbeelys Chance. Er verabschiedete sich von seiner Familie und ging an Bord eines Dampfers nach New York, und bald darauf hatte er eine kleine Schmiede in der Washington Street gemietet, im Herzen des wachsenden syrischen Viertels.
    Arbeely war ein guter und gewissenhafter Handwerker, und sogar in dem Überangebot in New York zeichneten sich seine Waren durch Qualität und Preis aus. Er fertigte Tassen und Teller, Töpfe und Pfannen, Küchenutensilien, Fingerhüte und Kerzenständer an. Hin und wieder brachte ihm ein Nachbar etwas zum Reparieren, einen beschädigten Topf oder eine verdrehte Türangel, und bekam es besser als neu zurück.
    In diesem Sommer erhielt Arbeely einen reizvollen Auftrag. Eine Frau namens Maryam Faddoul kam mit einer alten, zerbeulten, aber ziemlich schönen Kupferflasche in seine Werkstatt. Die Flasche war im Besitz von Maryams Familie, seit sie sich erinnern konnte; ihre Mutter hatte Olivenöl darin aufbewahrt und sie Maryam geschenkt, als diese nach Amerika segelte. »Dann hast du immer ein Stück Zuhause bei dir«, hatte ihre Mutter gesagt.
    Mit ihrem Mann Sayeed hatte Maryam ein Kaffeehaus in der Washington Street eröffnet, das rasch zum florierenden Mittelpunkt des Viertels wurde. Eines Nachmittags, während sie ihre betriebsame Küche überwachte, entschied Maryam, dass die geliebte Flasche ein bisschen

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