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Golem XIV

Golem XIV

Titel: Golem XIV Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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also logisch, zu erfassen, sondern durch Hineinversetzen in die Situation der Spieler, also psychologisch. Ihre Psychologie kann der Mensch jedoch nicht ersehen, ebensowenig wie ihren ethischen Kodex; dazu fehlen uns die Angaben; wir sind nicht imstande, uns vorzustellen, was die Spieler denken, was sie fühlen, was sie ersehnen, gerade so, wie man eine Physik nicht aufbauen kann, indem man sich vorstellt, was es bedeutet, »als Elektron zu existieren«.
    Die Immanenz des Spielerdaseins ist für uns gleichermaßen unerreichbar wie die Immanenz des Elektronendaseins. Daß ein Elektron das tote Teilchen von Materieprozessen bildet, während der Spieler ein intelligenzbegabtes, also angeblich uns ähnliches Wesen vorstellt, ist nicht von wesentlicher Bedeutung. Ich spreche von einem Riß im System des Acheropoulos, weil Acheropoulos an einer Stelle der »Neuen Kosmogonie« deutlich erklärt, daß sich die Beweggründe der Spieler nicht auf der Grundlage der Introspektion nachvollziehen lassen. Er hat dies gewußt, und doch erlag er dem Denkstil, der ihn geprägt hatte; denn der Philosoph bemüht sich, zuerst zu verstehen und dann zu verallgemeinern; für mich war es hingegen von Anfang an selbstverständlich, daß man so das Bild des Spiels nicht schaffen darf. Die verstehende Schau setzt voraus, daß das Spiel als Ganzes von außen her gesehen wird, also von einem Beobachtungsstandpunkt aus, den es nicht gibt und niemals geben wird. Intentionalität von Handlungen ist durchaus nicht mit psychologischer Motivation gleichzusetzen. Die Ethik der Spieler sollte vom Anlytiker des Spiels nicht berücksichtigt werden, ebensowenig wie die persönliche Ethik militärischer Befehlshaber von einem Schlachtenhistoriker berücksichtigt werden muß, der die strategische Logik der Frontmanöver eines Krieges studiert. Das Bild des Spiels ist eine Entscheidungsstruktur, die vom Zustand des Spiels und vom Zustand der Umwelt abhängig ist, und nicht die Resultierende aus individuellen Wertkodexen, Gelüsten, Begierden oder Normen, zu denen sich die einzelnen Spieler bekennen. Daß sie dasselbe Spiel spielen, bedeutet durchaus nicht, daß sie einander in jeder anderen Hinsicht ähnlich sein müssen! Sie können einander just so ähnlich sein wie ein Mensch einer Maschine, mit der er Schach spielt. So ist es denn auch keineswegs ausgeschlossen, daß Spieler existieren, die in biologischem Sinne tot sind, im Zuge nichtbiologischer Entwicklung entstanden und ebenso auch Spieler, die synthetische Erzeugnisse künstlich eingeleiteter Evolution sind; doch die Erörterungen solcher Eigenschaften haben keinen Zutritt auf dem Boden einer Theorie der Spieler.
    Das schwerste Dilemma für Acheropoulos war das Silentium Universi. Seine zwei Gesetze sind allgemein bekannt. Das erste besagt, daß keine Zivilisation niedrigerer Stufe die Spieler entdecken kann – denn sie schweigen nicht nur, sondern ihr Vorgehen sticht auch in nichts vom kosmischen Hintergrund ab, und dies deshalb, weil es selbst gerade dieser Hintergrund ist.
    Das zweite Acheropoulossche Gesetz sagt, daß die Spieler sich nicht mit Kommunikation der Fürsorge und Hilfe an die jüngeren Zivilisationen wenden – denn die Spieler können solche Kommunikate nicht konkret adressieren, und unadressiert wollen sie sie nicht aussenden. Um adressierte Information zu senden, muß man zuvor den Zustand erkennen, worin sich der Adressat befindet; aber dies wird eben durch den ersten Grundsatz des Spiels unmöglich gemacht, der die Barriere für raumzeitliches Wirken festsetzt. Wie wir wissen, muß jede erlangte Information – über den Zustand einer anderen Zivilisation – im Augenblick ihres Empfangs völlig anachronistisch sein. Indem sie ihre Barrieren festsetzen, hinderten sich die Spieler selbst an der Erkennung der Zustände anderer Zivilisationen. Dagegen bringt unadressiertes Senden von Kommunikaten immer wesentlich mehr Schaden als Heil. Die Beweisführung dafür stützt Acheropoulos auf Versuche, die er durchgeführt hat. Er nahm zwei Reihen von Zetteln, schrieb auf der einen die Namen der frischesten wissenschaftlichen Entdeckungen der sechziger Jahre aus, auf der anderen – die Daten des historischen Kalenders für den Zeitraum eines Jahrhunderts (1860 bis 1960) und zog dann die Zettel paarweise; der reine Zufall ordnete jede Angabe über eine Entdeckung einem Datum zu, und dies sollte das unadressierte Senden von Nachrichten nachahmen. In der Tat hat eine solche Emission kaum

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