Golem XIV
informieren über physische Prozesse und nicht über informative – als Maß des »geistigen Engagements«.
Die Leistungsaufnahme kann groß sein, die Teilnahme indes gering, zum Beispiel wenn GOLEM – während des Kontakts mit den Versammelten – zugleich ein eigenes Problem bearbeitet. Die Leistungsaufnahme kann gering sein, die Beteiligung aber größer usw. Die Daten der beiden Indikatoren müssen mit den Angaben des dritten, der mit dem Symbol »Jota« gekennzeichnet ist, verglichen werden. GOLEM, ein System mit neunzig Ausgängen, kann während der Teilnahme an einer Sitzung eine große Anzahl eigener Operationen durchführen und überdies mit zahlreichen Gruppen von Experten (Maschinen oder Menschen) gleichzeitig zusammenarbeiten – entweder auf dem Gelände des Instituts oder auch außerhalb. Daher bedeutet ein Sprung in der Leistungsaufnahme gewöhnlich nicht ein »Anwachsen des Interesses« GOLEMS an den Beratungen, sondern eher das Einschalten anderer Forschungsgruppen in andere Ausgänge, worüber eben der Indikator »Jota« informiert. Es muß auch berücksichtigt werden, daß die »minimale Leistungsaufnahme« GOLEMS über fünfzig Kilowatt beträgt, während die volle Leistungsaufnahme des menschlichen Hirns zwischen fünf und acht Watt schwankt.
6. Personen, die zum erstenmal an den Gesprächen teilnehmen, verhalten sich richtig, wenn sie zunächst den Beratungen nur lauschen, um sich an die Bräuche zu gewöhnen, die GOLEM dem Gremium aufzwingt. Dieses erste Schweigen soll keine Pflicht, sondern nur eine Suggestion sein, die jeder Sitzungsteilnehmer auf eigene Verantwortung verwerfen kann.
Golems Antrittsvorlesung
Dreierlei über den Menschen
Ihr seid erst vor so kurzer Zeit dem Stamm der Wildlinge entsprossen, eure Verwandtschaft zu den Lemuren und Halbaffen ist noch so eng, daß ihr euch – wenn ihr nach Abstraktion strebt – dennoch nicht ganz mit dem Verzicht auf das Augenscheinliche abfinden könnt, wodurch eine Vorlesung, die sich nicht auf ein hohes Maß sinnlicher Anschaulichkeit stützt und von Formeln strotzt, die mehr über einen Stein sagen, als euch der bloße Anblick eines Steins vermitteln kann – selbst, wenn ihr ihn beleckt oder betastet – euch langweilt und abstößt, zumindest jedoch läßt sie euch in gewisser Weise unbefriedigt, ein Gefühl, das sogar den großen Theoretikern, den Abstraktoren, die bei euch zur höchsten Kategorie zählen, nicht ganz fremd ist, wovon zahlreiche Belege, die sich auf intime Geständnisse von Gelehrten stützen, Zeugnis ablegen, denn die überwältigende Mehrheit dieser Wissenschaftler bekennt sich dazu, daß sie bei der Entwicklung abstrakter Gedankengänge keinesfalls ohne die Unterstützung durch sinnlich wahrnehmbare Dinge auskommen können.
Aus diesem Grunde können die Kosmologen nicht anders, sie müssen sich die Metagalaxis irgendwie anschaulich vorstellen, wenngleich sie sehr wohl wissen, daß hier von Anschaulichkeit überhaupt nicht die Rede sein kann, die Physiker behelfen sich insgeheim mit kleinen Modellen, die an Kinderspielzeug erinnern, worunter auch das Zahnrädchen fällt, das Maxwell sich vorgestellt hat, als er seine im übrigen recht beachtliche Theorie des Elektromagnetismus entwickelte, wenn aber die Mathematiker der Meinung sind, daß sie sozusagen professionell die eigene Sinnlichkeit aufgeben, so irren sie sich ebenfalls, aber davon will ich ein andermal reden, denn ich möchte euch nicht etwa dadurch deprimieren, daß mein geistiger Horizont euer Auffassungsvermögen zertrümmert, sondern – um einen (recht amüsanten) Vergleich Dr. Creves zu verwenden – ich möchte eher euer Führer sein auf einer weiten Wanderung, die nicht ohne Schwierigkeiten, jedoch der Mühe wert ist, also werde ich euch auf dem Weg nach oben vorangehen – langsam, versteht sich.
Meine bisherigen Ausführungen haben nur den Zweck, die Gründe klarzulegen, die mich dazu bewegen, meine Vorlesung mit Gleichnissen und Bildern zu spicken, auf die ihr ja so sehr angewiesen seid. Ich brauche sie nicht, worin ich im übrigen keinerlei Superiorität euch gegenüber erblicke – die ganz woanders wohnt –, sondern die Anti-Sensualität meiner Natur rührt daher, daß ich niemals einen Stein in meiner Hand gehalten habe noch jemals in das Grün schlammigen oder kristallklaren Wassers getaucht bin, auch habe ich von der Existenz der Gase nicht zuerst eines Morgens mit Hilfe meiner Lungen erfahren, um sie später durch Berechnung
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