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GOLIATH - Die Stunde der Wahrheit

GOLIATH - Die Stunde der Wahrheit

Titel: GOLIATH - Die Stunde der Wahrheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Westerfeld
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war es, gegen einen Wind von sechzig Meilen in der Stunde, also fast hundert Stundenkilometern, anzukämpfen.
    Hoffman folgte ihr mit den Werkzeugen und einem kleinen Apparat, an dem Mr. Tesla den ganzen Tag herumgetüftelt hatte. Er behauptete, mit einer tausend Fuß langen Antenne in dieser Höhe könne er Funksignale aus der ganzen Welt empfangen – und sogar noch von jenseits davon.
    »Also kann er sogar mit den blöden Marsmenschen reden«, rief Deryn. »Deswegen kriechen wir hier oben rum!«
    Hoffman verstand sie nicht, oder er hatte sich entschieden, nicht darauf zu antworten.
    Bei voller Kraft voraus war der Bug von allen Lebewesen verlassen. Die Flechet-Fledermäuse hatten sich in ihren Nischen und Ritzen verkrochen, die Vögel hockten sicher im Schlag. Bald gab es auch keine Webeleinen mehr, doch Deryn kroch immer weiter, langsam und auf dem Bauch liegend, drückte sie die Hände auf die raue, harte Oberfläche am Kopf des Flugtiers.
    Jetzt war sie froh über das Gewicht der Spule. Mit den sechzig Pfund Draht auf ihrem Rücken würde sie wenigstens nicht ganz so schnell in den Ozean geweht werden. Sie schrie Hoffman zu, er solle sich so flach wie möglich machen. Wenn bei dieser Geschwindigkeit der Wind eine Angriffsfläche zwischen dem Körper und der Haut des Flugtiers fand, wirkte das wie ein Messer, das eine Auster knackt, und man konnte unversehens ins Meer geschleudert werden.
    Endlich erreichte Deryn das Leinenjoch, den schweren Harnisch ganz vorn am Bug des Luftschiffs. Sie klinkte ihren Sicherheitsgurt ein und seufzte erleichtert. Hoffman gesellte sich zu ihr, und gemeinsam befestigten sie das Ende des Drahtes.
    Während sie im unerbittlichen Wind arbeiteten, schoss Deryn plötzlich die Frage durch den Kopf, ob Hoffman wohl wisse, was sie eigentlich war. Bestimmt hatte Volger es niemandem verraten; der Mann bewahrte Geheimnisse, um sie dann einzusetzen, wenn sie ihm den größten Nutzen einbrachten. Aber wie stand es mit Alek? Der hatte ihr versprochen, niemandem zu verraten, dass sie ein Mädchen war, aber hatte er darin auch die eigenen Männer einbezogen?
    Als der Draht festgezurrt und Teslas Apparat installiert war, klopfte Hoffman ihr auf die Schulter und murmelte ein paar ausgesuchte deutsche Flüche in den Wind. Sie lächelte und war plötzlich sicher, dass der Mann nicht Bescheid wusste.
    Alek mochte ein Dummkopf sein, jedoch immerhin einer, der sich an seine Versprechen hielt.
    Sie machten sich auf den Weg zurück, spulten dabei den Draht ab und sicherten ihn alle paar Meter an den Webeleinen, damit er nicht herumflatterte. Mit dem Wind im Rücken ging es deutlich schneller voran, und bald waren sie wieder bei Alek und Mr. Rigby. Zusammen gingen sie los in Richtung Heck.
    Je näher sie dem Schwanz kamen, desto leichter ging es voran. Das Dröhnen der Mechanistenmotoren blieb hinter ihnen zurück, und in der Mitte war der Körper des Flugtiers schmaler, sodass der riesige Rumpf ein wenig Schutz vor dem Wind bot. Als die erste Spule leer war, hielten sie an. Mr. Rigby und Hoffman splissen das Ende an den nächsten fünfhundert Fuß langen Draht.
    Während sie warteten, wandte sich Alek an Deryn. »Freust du dich darauf, Amerika zu sehen?«
    »Ein bisschen«, antwortete sie. »Aber wie man hört, muss es ein seltsamer Ort sein.«
    Die Vereinigten Staaten waren ebenfalls zur Hälfte darwinistisch und zur anderen Hälfte mechanistisch. Doch anders als in Japan fanden die beiden Technologien dort nicht so glücklich zueinander. Im Gegenteil, die beiden Hälften hatten einen schrecklichen Bürgerkrieg gegeneinander geführt, als der alte Darwin seine Entdeckungen verkündet hatte. Der Süden hatte die darwinistischen Landwirtschaftstechniken übernommen, während der industrialisierte Norden der Maschine treu geblieben war. Selbst fünfzig Jahre später zog sich noch eine tiefe Kluft durch das Land.
    »Ist das nicht der Grund, warum man in den Air Service eintritt?«, fragte Alek. »Um ein wenig von der Welt zu sehen?«
    Deryn zuckte mit den Schultern. »Ich wollte einfach nur fliegen.«
    »Langsam verstehe ich, worin der Reiz liegt«, sagte Alek und grinste. Er erhob sich halb, und der Wind zerzauste sein Haar und zerrte an seiner Fliegermontur. Dann beugte er sich in gefährlichem Winkel vor und ließ sich von der Kraft des Windes aufrichten.
    »Zum Teufel, Alek. Setz dich!«
    Der Junge lachte nur und breitete die Arme aus wie ein Vogel die Flügel. Deryn beugte sich vor und packte den

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