GOLIATH - Die Stunde der Wahrheit
runzelte die Stirn, und ihr Loris krabbelte herüber, um den falschen Bart zu inspizieren.
»Ach, Sie sind dieser Malone«, sagte sie langsam. »Der diese schrecklichen Artikel über Prinz Aleksandar geschrieben hat.«
»Genau der. Und wie ich dem jungen Sharp gerade erklären wollte, beabsichtige ich nicht, damit aufzuhören. Wenn Sie Darwinisten denken, Sie könnten exklusiv etwas mit Hearst auskungeln, dann sind Sie schiefgewickelt.«
»Zwischen uns und Hearst wird nichts ›ausgekungelt‹.« Dr. Barlow winkte ab. »Dieser Umweg war Mr. Teslas Einfall.«
»Hmph, Tesla«, sagte der Loris und drückte sich den Schnurrbart ins Gesicht.
»Ich habe versucht, mit dem Kapitän zu sprechen, Ma’am«, sagte Deryn. »Die Sache könnte ein wenig heikel für Mr. Malone werden. Hearsts Männer sind hinter ihm her.«
»Aber natürlich.« Dr. Barlow streichelte den Loris, der nun mit dem Schnurrbart posierte. »Wir befinden uns auf privatem Gelände, und deshalb ist er ja unbefugt.«
Deryn stöhnte und fragte sich, warum Miss Eierkopf sich so widerspenstig benahm. Hatte sie sich auch über die Artikel über Alek aufgeregt?
»Aha, ich verstehe schon, was Sie vorhaben«, sagte Eddie Malone, ehe er sich einen Stuhl heranholte und sich ihr gegenüber hinsetzte. »Na, passen Sie mal auf, Doktor. Ganz bestimmt wollen Sie mit diesem Hearst nichts zu tun haben. Er hat einige äußerst unappetitliche Freunde.«
»Ich glaube, Sir, unappetitliche Freunde sind eine unausweichliche Eigenschaft von Zeitungsmenschen.«
»Ha! Erwischt!« Malone schlug auf den Tisch, und der Loris zuckte zusammen. »Aber unappetitlich ist eins, gefährlich etwas ganz anderes. Zum Beispiel dieser Philip Francis.«
»Mr. Francis?«, fragte Deryn. »Den habe ich gerade kennengelernt. Er hatte die Bodenmannschaft geleitet.«
Malone schüttelte den Kopf. »Er leitet die Hearst-Pathé Wochenschaugesellschaft. Zumindest glauben das die meisten Leute.« Er beugte sich vor und senkte die Stimme. »Was jedoch nur wenige wissen: Sein richtiger Nachname lautet nicht Francis, sondern Diefendorf!«
Für einen Moment herrschte Schweigen, und dann sagte Miss Eierkopf: »Mechanisten!«
»Ist er ein deutscher Agent?«, wollte Deryn wissen.
Malone zuckte mit den Schultern. »Er ist in Deutschland geboren, das steht fest, und er vertuscht diesen Umstand!«
»Viele Immigranten in Amerika ändern ihre Namen«, wandte Dr. Barlow ein und trommelte mit den Fingern auf den Tisch. »Andererseits produzieren nicht alle Propagandafilme, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen.«
»Genau«, meinte Malone. »Sie müssen wissen, dass Hearst seine Zeitungen und Filme einsetzt, um Stimmung gegen die Briten zu machen, und auch gegen die Darwinisten. Und nun hat er aus heiterem Himmel Freundschaft mit Ihnen geschlossen?«
Deryn wandte sich an Dr. Barlow. »Wir sollten dem Kapitän davon erzählen.«
»Ich werde die Sache entsprechend einleiten.« Sie deutete mit einer Hand auf das Teegeschirr. »Wenn Sie dies bitte abräumen würden, Mr. Sharp. Und Sie begleiten mich, Mr. Malone. Wenn der Kapitän mit diesem Spektakel fertig ist, vielleicht hat er dann einen Augenblick Zeit für uns. Möglicherweise muss man ihm erklären, dass es weise wäre, nicht alles auf eine Karte zu setzen.«
»Madam, ich denke, wir verstehen uns«, sagte der Reporter und erhob sich. Er klopfte Deryn auf die Schulter. »Übrigens, Sharp, besten Dank für die Hilfe. Sehr freundlich von Ihnen.«
»Freut mich, wenn ich Ihnen zu Diensten sein konnte«, sagte Deryn. Sie stapelte das Geschirr und war froh, dass sie Miss Eierkopf zufällig getroffen hatten. Alle anderen Leute an Bord machten sich vor Ehrfurcht Tesla gegenüber beinahe in die Hose, und dieser Hearst mit seinen Kameras und Zeitungen würde alles nur noch verschlimmern.
Aber dann passierte etwas ausgesprochen Schreckliches.
Als Malone den Stuhl für Dr. Barlow zurückzog, riss sich der Loris den Schnurrbart aus dem Gesicht und warf ihn in eine Teetasse, wobei er Deryn hochmütig anstarrte. Ohne nachzudenken streckte sie dem Tierchen die Zunge heraus.
»Deryn Sharp«, sagte der Loris, während er auf den Schultern von Miss Eierkopf zur Tür hinausschwebte, und er wirkte ganz ungemein zufrieden mit sich selbst.
24. KAPITEL
Wenn Mr. William Randolph Hearst ein Bankett gab, war er der perfekte Gastgeber.
Sein Esszimmer hatte die Ausmaße des Thronsaals einer mittelalterlichen Burg, die Wände waren mit Wandbehängen geschmückt und in die
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