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GOLIATH - Die Stunde der Wahrheit

GOLIATH - Die Stunde der Wahrheit

Titel: GOLIATH - Die Stunde der Wahrheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Westerfeld
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die Stirn. Sie hatte schon viel über diese Vorliebe der Mechanisten für Filme gehört, aber selbst noch nie einen gesehen. Die Kameras surrten und summten, ein wenig wie die Nähmaschinen in Tokio. Jede verfügte über drei Objektive, die wie Insektenaugen aussahen, und alle starrten hinauf zum Luftschiff.
    »Das ist die Tür an der Steuerbordseite, richtig?«, erkundigte sich Mr. Francis. »Mit dem ersten Schuss wollen wir aufnehmen, wie sie heraustreten.«
    »Sie wollen auf sie schießen ?«
    »Sie fotografieren.« Er lächelte. »›Schuss‹ ist nur so eine Redewendung.«
    »Natürlich. Aye, die Gangway wird an Steuerbord heruntergelassen«, sagte sie und fühlte sich wie ein Verräter Alek gegenüber, weil sie dem Mann half. Dieser Mr. Francis war jedenfalls kein Flieger, wenn er die Luke zur Gangway als Tür bezeichnete. Er war einfach nur ein Filmreporter!
    Hinter den Läufern warteten weitere Männer in Zivilkleidung mit Aufnahmefröschen auf den Schultern und Kameras in den Händen. Sie drängten nach vorn, als vom Schiff die Leinen geworfen wurden.
    »Vielleicht rufen Sie die Reporter ein Stück zurück«, warnte Deryn. »Falls eine Böe das Schiff packt.«
    »Mr. Hearsts Mannschaft kommt damit zurecht.«
    Sie setzte eine finstere Miene auf. Die Bodenmannschaft sah so aus, als würde sie ihr Handwerk verstehen, aber wie konnten die es wagen, sie nach unten zu holen, nur damit sie bei den brüllenden Kameraarbeiten half!
    Die Bodenmannschaft fasste die Leinen, lief auseinander und zog die Leviathan abwärts. Als die Gondel sich noch einige Meter über dem Landeplatz befand, wurde die Gangway nach unten gelassen, und Kapitän Hobbes, Mr. Tesla und Prinz Aleksandar kamen zum Vorschein. Der Kapitän salutierte zackig, der Erfinder winkte mit seinem Gehstock, und nur Alek wirkte unsicher. Sein Blick ging zwischen Kameras und Menschenmenge hin und her, bis er schließlich eine halbherzige Verbeugung zustande brachte.
    Die beweglichen Plattformen trampelten heran, die Kameras fuhren nach oben, und plötzlich sahen sie wie Raubtiere aus, wie einer der Skorpionläufer, die ihre Männer in Gallipoli gefangen genommen hatten. Die Kameras erinnerten sogar an die Maschinengewehre der Mechanisten.
    Ein molliger Mann mit breitem Hut und Nadelstreifenhose löste sich aus der Reportermasse und stieg die Gangway hinauf. Er streckte die Hand aus und schüttelte dem Kapitän die Hand.
    »Ist das Mr. Hearst?«, fragte Deryn.
    »Allerhöchstpersönlich«, sagte Mr. Francis. »Sie haben Glück, dass Sie ihn zu Hause erwischt haben. Da der Krieg gerade herüberschwappt, war er seit dem Spätsommer in New York und hat sich um seine Zeitungen gekümmert.«
    »Ja, was für ein Glück«, sagte Deryn und beobachtete, wie Alek Mr. Hearst begrüßte. Im Kavalleriewappenrock, den er sich von Volger geliehen hatte, sah er in der Tat schneidig aus. Und als er jetzt seinem Gastgeber die Hand schüttelte, schienen die aristokratischen Reflexe die Oberhand zu gewinnen. Er verneigte sich abermals, diesmal voller Würde, und er lächelte sogar in die Kameras über ihm.
    Deryn freute sich zu sehen, wie er sich endlich mit der Sache anfreundete, aber gleichzeitig schoss ihr ein beunruhigender Gedanke durch den Kopf. Wenn ihm der Rummel um seine Person nun plötzlich Spaß machen würde?
    Nein, dazu wäre mehr als ein Schlag auf den Kopf notwendig, um Alek so zu verändern.

    »Der Mogul.«
    Sie riss den Blick von dem Spektakel los und schaute sich wachsam auf dem Landeplatz um. Zu ihrer Erleichterung gab es bei den Leinen eine gewisse Verwirrung.
    »Scheint so, als könnten Ihre Männer doch ein bisschen Hilfe gebrauchen«, sagte sie zu Mr. Francis und lief los.
    Die Leinen hatten sich nahe dem Bug des Schiffes verheddert, wo der Wind am stärksten war. Oben hatte die Mannschaft auf dem Rücken bereits eine Leine zum Ankermast geworfen, doch wartete man, bis das Durcheinander unten beseitigt wäre, ehe sie das Luftschiff festzurrten.
    Als Deryn eintraf, schrien sich zwei Gruppen der Bodenmannschaft gegenseitig an. Manche zogen in die falsche Richtung, sodass die Seile über Kreuz liefen, und keiner wollte loslassen. Sie warf sich ins Getümmel und brüllte Befehle, wobei sie vor allem darauf achtete, dass die Männer ihre Leinen nicht gleichzeitig losließen. Kurz darauf hatte sie das Chaos beseitigt, und sie zog ihre Signalflaggen hervor und übermittelte F-E-R-T-I-G an die Mannschaft auf dem Schiff.
    »Ich fürchte, das war meine Schuld«,

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