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Gomorrha: Reise in das Reich der Camorra

Gomorrha: Reise in das Reich der Camorra

Titel: Gomorrha: Reise in das Reich der Camorra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roberto Saviano
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erprobt und wird regelmäßig praktiziert. Die jungen Roma sind beim Feuerlegen am tüchtigsten. Von den Clans bekommen sie fünfzig Euro für jeden niedergebrannten Müllhaufen. Es ist kinderleicht. Ein riesiger Müllberg wird mit dem Magnetband von Musik- und Videokassetten ringsherum markiert, dann wird der Müll mit Alkohol und Benzin übergossen und der Bandsalat als Zündschnur benutzt. Binnen weniger Sekunden steht alles in Flammen. Als wäre eine Napalmbombe explodiert. In die lodernden Flammen wirft man Abfälle aus Gießereien, Leime und Naphtha-Rückstände. Der tiefschwarze Rauch und das Feuer vergiften jeden Quadratzentimeter Boden mit Dioxin. Die hiesigen Bauern, die bisher ihr Gemüse und Obst nach Skandinavien exportiert hatten, stehen vor dem Nichts. Alles, was hier wächst, ist krank, der Boden zunehmend unfruchtbar. Doch die Wut und das Elend der Bauern erweisen sich für die Clans wieder einmal als vorteilhaft. Sie kaufen den verzweifelten Bauern ihre Felder zu einem Spottpreis ab und eröffnen neue Deponien. Gleichzeitig nehmen die tödlichen Tumorerkrankungen zu. Ein lautloses, langsames Sterben, das sich nur schwer dokumentieren läßt, weil alle, denen ihr Leben lieb ist, in die Krankenhäuser Norditaliens abwandern. Nach Angaben des staatlichen Gesundheitsinstituts ISS (Istituto Supe-riore di Sanitäj stieg in den kampanischen Ortschaften mit großen Giftmülldeponien die Krebs Sterblichkeit innerhalb der letzten Jahre um einundzwanzig Prozent. Verätzungen der Bronchien und der Luftröhre. Es folgen Untersuchungen im Krankenhaus, und die Aufnahmen der Computertomographie zeigen schwarze Flecken, die auf ein Karzinom hindeuten. Fragt man die Krebskranken Kampaniens, aus welchen Ortschaften sie stammen, gewinnt man ein Bild all der Areale, wo Giftmüll lagert.
    Eines Tages beschloß ich, Feuerland zu Fuß zu durchqueren. Ich band mir ein Taschentuch vor Mund und Nase wie die jungen Roma, wenn sie die Müllhaufen anzünden. Sie sehen aus wie Cowboys, die in einer Wüstenlandschaft aus verbranntem Müll umherwandern. Ich ging über dioxingetränkten Boden, der von Lkws befahren und vom Feuer wieder und wieder leergeleckt wird, damit die Gruben niemals voll werden.
    Der Rauch, der mich einhüllte, war nicht dicht, eher wie eine schmierige Patina, die sich auf die Haut legt und einem das Gefühl gibt, man sei durchnäßt. Unweit der brennenden Deponie lagen mehrere Häuser, die auf einer Plattform in Form eines riesigen X aus Stahlbeton errichtet waren. Auf dem Terrain stillgelegter Mülldeponien. Illegaler Deponien, die aufgelassen worden waren, nachdem man sie schier bis zum Platzen mit Müll vollgestopft und dann in Brand gesteckt hatte. Den Clans war es gelungen, das Areal als Bauland ausweisen zu lassen. Offiziell war es ohnehin Weide- und Ackerland. Hier hatten sie hübsche Villensiedlungen hochgezogen. Aber der Untergrund war nicht sicher, es bestand die Gefahr von Erdrutschen, unvermittelt konnten sich tiefe Krater auftun. Deshalb hatte man zur Verstärkung ein künstliches Fundament aus Stahlbeton in Form eines widerstandsfähigen X gebaut. Die preisgünstigen Häuser fanden schnell Käufer, obwohl jeder wissen mußte, daß sie auf einer Mülldeponie standen. Die Aussicht auf ein eigenes Häuschen ließ Angestellte, Rentner und Arbeiter gar nicht auf den Gedanken kommen, den Boden, auf dem das Fundament errichtet wurde, genauer in Augenschein zu ne hm en.
    Feuerland bot ein apokalyptisches Bild, hier vollzog sich der Weltuntergang unablässig, tagtäglich, mit einer Selbstverständlichkeit, als gäbe es in all dem widerlichen Dreck aus Sickerwasser und Altreifen nichts, über das man sich noch wundern müßte. Die Ermittler fanden heraus, daß man eine ganz bestimmte Methode anwandte, um das Entladen des giftigen Mülls vor Polizei und Forstverwaltung geheimzuhalten. Eine altbewährte Methode, von Guerillas und Partisanenkämpfern weltweit angewandt. Hirten standen Schmiere. Hirten, die Schafen, Ziegen und auch ein paar Kühe weideten. Man heuerte die besten Hirten im Umkreis an, die, statt Böcke und Lämmer zu hüten, auf ungebetene Besucher achten sollten. Sobald sich ein verdächtiges Auto näherte, gaben sie Bescheid. Ein wachsamer Blick und ein Mobiltelefon waren Waffen, gegen die niemand ankam. Ich sah sie oft mit ihren mageren, folgsamen Herden umherstreifen. Einmal ging ich auf einen zu, um ihn zu fragen, wo die Jugendlichen Autofahren übten. Ich wußte, daß sich die Lkw-Fahrer

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