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Gondeln aus Glas

Gondeln aus Glas

Titel: Gondeln aus Glas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicolas Remin
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Eindruck, dass Potocki weder wusste, was geschehen war, noch wo er sich befand und wohin man ihn jetzt gebracht hatte. Sein eleganter Sommeranzug war voller Flecken, und seine Augen, klein und blutunterlaufen, lagen wie Steine im fahlen Lehm seines Gesichtes. Er sah aus, als hätte er seit jener Nacht nichts anderes getan, als ein Glas Cognac nach dem anderen zu trinken. Wenn es stimmte, was Troubetzkoy von Potocki und seiner Haushälterin behauptet hatte, dann schien Anna Kinsky keine große Stütze für Potocki gewesen zu sein.
    Potocki beschränkte seine Begrüßung auf ein  stummes Nicken. Er kam mit unsicheren, schlurfenden Schritten näher und nahm auf der anderen Seite von Trons Schreibtisch Platz. Dann sagte er ohne jede Einleitung: «Die Waffe war nicht geladen.»
    Tron nickte. «Ich weiß.»
    Potocki brachte ein schiefes Grinsen zustande.
    «Das Ding ist ein Museumsstück. Aber ich dachte, es würde reichen, um ihn unter Druck zu setzen.»
    «Ihn unter Druck zu setzen, damit er was tut?»
    «Damit er unterschreibt.»
    «Was?»
    «Ein kurzes Geständnis, das ich aufgesetzt habe.»
    «Haben Sie ernsthaft geglaubt, dass dieses Geständnis etwas wert ist?»
    «Nein, natürlich nicht. Troubetzkoy sollte nur einen Moment lang seine Maske fallen lassen. Ich wollte es in seinen Augen sehen, dass ich mich nicht getäuscht habe.»
    «Und haben Sie es gesehen?»
    «Vielleicht hätte ich es gesehen, wenn nicht dieser verdammte Offizier mit seinem Säbel gewesen wäre.»
    Potocki schüttelte wütend den Kopf.
    «Welcher Offizier mit seinem Säbel?»
    «Der mir die Waffe aus der Hand geschlagen und mir anschließend den Arm auf den Rücken gedreht hat.»
    Potocki schloss die Augen und lehnte sich so heftig zurück, dass der Bugholzstuhl, auf dem er Platz genommen hatte, laut knirschte. Als er die Augen wieder aufschlug, sah Tron, dass ihm Tränen die Wangen herabliefen. Auf einmal kam ihm die Vorstellung, dass Potocki in den Tod seiner Frau verwickelt sein könnte, ebenso absurd vor wie der Gedanke, dass er ein Verhältnis mit Anna Kinsky gehabt hatte.
    Tron lehnte sich über den Tisch – über die blitzende Duellpistole, die immer noch wie ein Corpus Delicti zwischen ihnen lag. Dann sagte er, wobei er sich bemühte, verständnisvoll und bestimmt zugleich zu klingen: «Warum überlassen Sie uns nicht die Ermittlungen?»
    Potocki seufzte. «Ermitteln Sie überhaupt?» Er klang eher resigniert als aggressiv.
    Tron sagte: «Nicht nur gegen den Großfürsten.»
    «Und gegen wen noch?» Potocki warf einen mü den Blick über den Tisch.

    «Darf ich Ihnen vorher eine Frage stellen, Signor Potocki?»
    «Fragen Sie.»
    «Es geht um Anna Kinsky. Sie sagten, dass sie sich an Ihnen interessiert gezeigt hätte.»
    Potocki nickte. «Das hat sie auch.»
    «Wie lange, sagten Sie, liegt das zurück?»
    Potocki überlegte einen Moment. «Das war kurz nachdem wir sie nach dem Tod ihres Mannes aufgenommen hatten. Vielleicht vor einem guten halben Jahr.»
    «Und als Sie ihre Avancen abgelehnt hatten, da  …»
    «Hat sie ihre Liebe zum Herrn entdeckt.» Potocki lockerte seine ohnehin schon lockere Halsbinde.
    «Eine aufrichtige Liebe?»
    «Das habe ich mich auch oft gefragt.» Potocki machte ein nachdenkliches Gesicht. «Das alles hatte so etwas …» Er suchte nach dem richtigen Wort und sagte dann: «Übertriebenes. Aber warum stellen Sie mir diese Fragen?» Potockis Kopf sackte ein wenig nach vorne, so als wäre er nur locker auf seinem Hals befestigt.
    «Troubetzkoy sagte, Anna Kinsky hätte ihren  Mann unter fragwürdigen Umständen verloren.»
    Potocki hob den Kopf und legte seine Stirn in Falten. «Sie meinen den Prozess in Triest?»
    Tron beschränkte sich darauf zu nicken.
    Potocki sagte: «Da ist sie freigesprochen worden.
    Der Tod von Signor Kinsky war ein Unfall.» Er warf einen irritierten Blick über den Schreibtisch. «Was hat das mit dem Tod meiner Frau zu tun?»
    Tron vermutete, dass Potocki unter normalen  Umständen längst begriffen hätte, worauf er hinauswollte. Er sagte: «Es kann außer dem Großfürsten nur noch eine einzige andere Person Ihre Frau ermordet haben.»
    Potocki sah plötzlich wie ein Mann aus, der alles für einen großen Cognac gegeben hätte. Er schluckte und musste dann zweimal ansetzen, um sprechen zu können. «Anna Kinsky soll ihre eigene Cousine getötet haben? Aber was hätte sie davon gehabt? Konstancja hat ihr nichts hinterlassen.»
    «Das mag Anna Kinsky anders gesehen haben. In ihren

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