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Gondeln aus Glas

Gondeln aus Glas

Titel: Gondeln aus Glas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicolas Remin
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Augen hat Ihre Frau sehr wohl etwas hinterlassen.»
    «Jetzt kann ich Ihnen nicht folgen, Commissario.»
    «Sind Sie sich ganz sicher, dass diese religiöse Konversion nicht eine Masche war?»
    «Eine Masche?»
    «Eine Tarnung. Eine Maske, unter der sie ihre wahren Gefühle versteckt hat.»
    Potocki dachte nach. Es dauerte eine Weile, bis er die Frage begriffen hatte. Schließlich sagte er: «Sie denken, Anna hatte die Hoffnung, dass …»
    Tron nickte. «Dass Sie nach dem Tod Ihrer Frau ein wenig Trost brauchen und die Zeit des Herrn dann vorüber ist.»
    «Und deshalb hat sie …» Potocki riss die Augen auf und machte ein bestürztes Gesicht.

    Tron beendete den Satz für ihn. «Hat sie diesen Mord begangen.»
    Potocki schüttelte den Kopf. «Das glaube ich  nicht. Dafür ist sie viel zu … wenig raffiniert. Au ßerdem weiß sie, wie sehr ich Konstancja geliebt habe.» Den letzten Satz hatte er wie im Schlaf gesprochen, langsam und mechanisch und ohne Tron dabei anzusehen. Sein Kopf schien wieder etwas lockerer auf dem Hals zu sitzen.
    «Und hat sie bereits signalisiert, dass sie bereit wä re, Ihnen diesen Trost zu gewähren?»
    Potocki zuckte die Achseln. «Wir reden praktisch nicht miteinander.» Er sah Tron mit traurigen Augen an. «Ich glaube es einfach nicht», sagte er müde.
    «Abgesehen davon, dass Troubetzkoy Sie auf diese Theorie gebracht hat. Und der hat ein großes Interesse daran, den Verdacht auf andere zu lenken.»
    Tron lächelte. «Das weiß ich. Aber es ist eine Spur, der wir nachgehen.»
    «Was haben Sie jetzt mit mir vor?» Potocki hörte sich nicht so an, als würde ihn die Antwort auf diese Frage sonderlich interessieren.
    Tron richtete seinen Blick auf die Duellpistole –  die Tatwaffe. Die sah aus wie ein Bühnenrequisit, eine Waffe, die man auch noch von der letzten Reihe im Parkett aus erkennen konnte.
    Er stand auf, um zu signalisieren, dass das Gespräch beendet war. «Nichts», sagte er. «Sie können gehen.»

    «Glauben Sie ihm, Commissario?» Bossi hatte die Tür hinter Potocki geschlossen und sah Tron ernst an.
    « Er kann den Mord nicht begangen haben», sagte Tron. «Als ich mit ihm auf der Treppe stand, hat seine Frau noch Chopin gespielt. Potocki hat das perfekteste Alibi der Welt.»
    «Vielleicht hat er ja mit Anna Kinsky unter einer Decke gesteckt.»
    «Das ist eine Behauptung Troubetzkoys. Es überrascht mich, dass Sie ihm glauben.»
    «Dr. Lionardo hat gemeint, dass dieser Mord auch von einer Frau begangen sein könnte», sagte Bossi.
    «Weil man nicht viel Kraft dazu braucht, wenn die Schlinge erst einmal um den Hals liegt. Aber ich glaube es trotzdem nicht. Frauen benutzen in der Regel Gift, wenn sie jemanden töten wollen. Jemanden zu erdrosseln entspricht nicht ihrem sanften Naturell.»
    Wie bitte? Was hatte er da gesagt? Ein völlig unsinniger Satz, dachte Tron, der auf der Stelle zu einem langen Vortrag der Principessa geführt hätte.
    Tron konnte direkt ihre Stimme hören. Bleib sitzen, Tron. Ich bin noch nicht fertig. Aber Bossi, der weder die Principessa noch die Contessa näher kannte, schluckte ihn.
    «Dann war es also Troubetzkoy, der Konstancja Potocki getötet hat», sagte Bossi. «Weil sie irgendetwas wusste.»
    «Was eine runde Lösung des Falls ergeben würde.»

    Bossi nickte. «Wir würden uns, was den Täter angeht, nicht so verzetteln.»
    Einen Moment lang war Tron sich nicht ganz sicher, ob Bossi das ernst gemeint hatte. Aber normalerweise neigte der Sergente im Dienst nicht zu scherzhaften Bemerkungen.
    «Jedenfalls», sagte Tron, «werden wir mehr wissen, wenn die Königin die Fotografie von Kostolany gesehen hat.»
    Bossi, der die Hand bereits auf der Klinke hatte, drehte sich noch einmal um. «Für einen Mann, der so hinüber war, hat Potocki erstaunlich deutlich gesprochen.»
    «Was soll das heißen?»
    Bossi zuckte die Achseln. «Es fiel mir nur auf.»

39
    Der gut gekleidete Herr, dem eine üppige Cattleya im Knopfloch einen Einschlag ins Künstlerische gab, stand auf der Fondamenta Nuove und warf einen wohlwollenden Blick auf den Abendhimmel über der westlichen Lagune. Dieser hatte sich rötlich verfärbt und erinnerte ihn ein wenig an eine Bühnendekoration. Fast alles hier in Venedig erinnerte ihn an eine Bühnendekoration.
    Die Sonne selbst hatte sich bereits über den westlichen Horizont davongemacht, und er stellte sich vor, wie sie mit rasender Geschwindigkeit die Erdkugel umrundete, um dann am nächsten Morgen auf der anderen

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