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Gondeln aus Glas

Gondeln aus Glas

Titel: Gondeln aus Glas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicolas Remin
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Leiche, die Bossi gerade im Nebenzimmer fotografierte, war noch warm. Der Junge könnte Kostolany demnach gleich nach seiner Ankunft im Palazzo da Lezze getötet haben und bereits zehn Minuten später zur Piazza gerannt sein. Und jemandem eine Schlinge über den Hals zu werfen und sie zuzudrehen erforderte keine großen Körperkräfte. Andererseits konnte Tron sich nicht vorstellen, wie das anmutige Geschöpf, das jetzt einen Ellenbogen lässig auf den Tisch gestützt und die Wange in die geschlossene Hand geschmiegt hatte, dem Kunsthändler eine Schlinge um den Hals warf und eiskalt zusah, wie der Mann unter seinen Händen starb.
    Tron lächelte. «Am Anfang der Ermittlungen steht jeder unter Verdacht.»
    Soweit er im Licht der Petroleumlampe erkennen konnte, war die Küche aufgeräumt, der graue Steinfußboden sorgfältig gefegt. Tron beugte sich über den Tisch. «Was genau war Ihre Funktion in diesem Haushalt, Signor Manin?»
    Der Junge zögerte mit seiner Antwort. «Ich habe Signor Kostolany assistiert.» Dann fügte er hinzu: «Bei seiner Korrespondenz, soweit sie auf Italienisch geführt wurde. Und beim Einkauf habe ich dafür gesorgt, dass die Bilder, die Kostolany gekauft hat, so transportiert wurden, dass sie keinen Schaden nahmen.»
    «Also kennen Sie die Vorbesitzer der Bilder.»
    «In der Regel schon.» Der Junge hob den Kopf  und seufzte theatralisch. «Der Abtransport der Gemälde war nie ein Vergnügen. Die meisten Leute mussten verkaufen, und sie hassten Kostolany dafür, dass er davon profitierte. Hin und wieder tauchte auch ein Vorbesitzer auf und wollte nachverhandeln.»
    Tron schlug Kostolanys Terminkalender auf. «Für heute Abend sind drei Namen eingetragen. Eine Sig nora Caserta, dann ein Signor Valmarana und außerdem die Abkürzung ‹P T›. Sind das Vorbesitzer, mit denen es Ärger gab?»
    Der Junge nickte. «Mit Valmarana auf jeden Fall.
    Es ging wohl um eine Zeichnung, die er Signor Kostolany zur Ansicht überlassen hatte. Valmarana ist hier aufgetaucht und hat rumgeschrien, dass man Geiern wie Kostolany den Hals umdrehen sollte.»
    Den Hals umdrehen? Das hörte sich vielversprechend an. «Wann hat der Besuch stattgefunden?»
    Der Junge dachte kurz nach. Dann sagte er: «Das muss vor drei Tagen gewesen sein.»
    «Wissen Sie, wo dieser Signor Valmarana wohnt?
    Kommt er aus Venedig?»
    Der Junge sah Tron verständnislos an. «Ich denke, er wohnt im Palazzo Valmarana.»
    Tron gab sich keine Mühe, seine Überraschung zu verbergen. «Sie meinen, es geht um Conte Valmarana?»
    «Ja, er war ein Conte.»
    Ercole Valmarana – mein Gott, wie lange hatte er nicht mehr an ihn gedacht? Tron schloss die Augen, und plötzlich war alles wieder da – so als wäre er durch ein Loch gefallen, das sich im Strom der Zeit geöffnet hatte. Da war der muffige Weihrauchgeruch, der in den Klassenräumen und in den Fluren hing, die unerträgliche Hitze im Sommer und die Eiseskälte im Winter. Und auch der stechende Schmerz, wenn der Rohrstock, von priesterlichen Armen geführt, auf den Handteller traf.
    Valmarana war ein schmächtiger Junge gewesen, der die letzten beiden Jahre im Seminario Patriarcale direkt vor ihm gesessen hatte. Schlecht in Latein, schlecht in Griechisch, aber ungeheuer beschlagen in italienischer Lyrik – Leopardi, Foscolo. Und jetzt war er im Begriff, hatte Tron gehört, seinen Palazzo zu verlieren. Tron nahm sich vor, ihn morgen zu besuchen. Vielleicht konnte er ja etwas für ihn tun – falls er ihn nicht verhaften musste.
    Tron öffnete die Augen und räusperte sich. «Wissen Sie, wofür die Abkürzung ‹P T› steht?»
    «Für Troubetzkoy. Großfürst Troubetzkoy ist russischer Generalkonsul in Venedig. Weil Kostolany viel für den Zaren gekauft hat, mussten die beiden hin und wieder zusammenarbeiten. Troubetzkoy konnte Kostolany nicht ausstehen.»
    «Warum nicht?»
    «Weil er gerne selbst für den Zaren gekauft und entsprechend daran verdient hätte. Aber er hat sich zweimal Fälschungen andrehen lassen. Seitdem organisiert er nur noch den Transport der Gemälde nach Petersburg.»
    «Irgendeine Vermutung, was Troubetzkoy hier  gewollt haben könnte?»
    Der Junge schüttelte den Kopf. «Nein.»
    «Und die Signora Caserta?»
    «Noch nie gehört.»
    Tron drehte den Kopf zur Tür. Den Geräuschen  nach zu urteilen, die vom Flur kamen, waren die beiden Gehilfen Dr. Lionardos gerade damit beschäftigt, Kostolanys Leichnam auf eine Bahre zu legen.

    Was bedeutete, dass Sergente Bossi

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