Gondeln aus Glas
gezeigt?»
Tron nickte. «Marie Sophie sagt, der Mann, der sie und Oberst Orlow im Palazzo da Lezze empfangen hat, sei definitiv nicht Kostolany.»
«Also hat Orlow die Königin hintergangen.» Die Principessa machte ein nachdenkliches Gesicht.
«Fragt sich nur, wer sein Komplize gewesen ist.»
«Vermutlich Troubetzkoy. Aber das kann nur eine Gegenüberstellung klären.»
«Was geschieht, wenn die Königin den Großfürsten identifiziert hat?»
«Dann dürfte der Fall gelöst sein», sagte Tron.
«Du meinst, er hat alle Morde begangen?»
«Vermutlich.»
«Auch den Mord an Konstancja Potocki?»
«Das behauptet jedenfalls Potocki. Weil sie angeblich etwas über den Tizian wusste.»
«Und Orlow?»
«Ob Troubetzkoy ein Alibi für gestern Nacht hat, werde ich ihn gleich fragen.»
«Was hätte Troubetzkoy für einen Grund, Orlow zu töten?»
Tron machte ein nachdenkliches Gesicht. «Die Königin glaubt, dass der Oberst kurz davor war, ihr etwas Wichtiges mitzuteilen. Und dass er Angst hatte.»
«Angst vor Troubetzkoy?»
«Vielleicht.»
«Der Großfürst», sagte die Principessa, «ist Generalkonsul. Auch wenn die Königin ihn identifiziert – mehr, als dass der Ballhausplatz ihn ausweist, kann ihm nicht passieren.»
Tron schüttelte den Kopf. «Da täuschst du dich.
Es geht ein Bericht an Spaur, an Toggenburg, an den Ballhausplatz und an den russischen Botschafter in Wien. Damit ist er gesellschaftlich erledigt.» Tron seufzte. «Aber ich werde diesen Bericht nicht schreiben.»
«Und warum nicht?»
«Weil ich Troubetzkoy ein Geschäft vorschlage», sagte Tron knapp. «Wir stellen die Ermittlungen ein, und er gibt uns den Tizian zurück. Marie Sophie braucht dringend das Geld aus dem Verkauf des Gemäldes.»
«Wofür braucht sie das Geld?» Die Stimme der Principessa klang ein wenig gereizt.
«Für einen gewissen Armand de Lawayss.»
«Ich verstehe kein Wort.»
Tron sagte: «Marie Sophie hatte eine Beziehung mit einem Rittmeister der päpstlichen Zuaven. Sie hat ihn bei ihrer Ankunft in Terracina kennen gelernt. Eine Woche später hat Pius IX. den Mann nichts ahnend zu ihrem Ehrenkavalier ernannt. Bei gemeinsamen Ausritten in die Campagna sind die beiden sich dann näher gekommen. Später haben sie ihre Zusammenkünfte von Gasthäusern in der Campagna nach Rom verlegt.»
Die Principessa hob die Augenbrauen. «In Hotels?»
Die sachliche Art, in der sich die Principessa nach technischen Einzelheiten erkundigte, hatte etwas Irritierendes, fand Tron.
«In den Palazzo Farnese», sagte er. «Lawayss ist per Ruderboot auf dem Tiber gekommen, am Palazzo Farnese ans Ufer gegangen und über die Mauer geklettert. Im Garten hat die Zofe der Königin auf ihn gewartet und ihn in ein Mansardenzimmer geführt.»
Die Miene der Principessa blieb neutral. Moralische Urteile abzugeben war ohnehin nie ihre Sache.
«Wenn das ans Licht kommt», sagte sie sachlich, «gibt es einen Skandal.»
«Dann hat die Königin», fuhr Tron fort, «im April 1862 entdeckt, dass sie in anderen Umständen war.
Da alle wussten, dass auf keinen Fall der Ehemann für diese Schwangerschaft verantwortlich gewesen sein konnte, ging die Königin wegen einer angeblichen Lungenaffektion zurück nach Bayern, um sich dort in den Alpen zu erholen. Die Geburt fand im November 1862 in einem Ursulinenkloster statt. Allerdings ergab sich ein weiteres Problem, mit dem niemand gerechnet hatte.»
Tron konnte der Versuchung nicht widerstehen, an dieser Stelle eine theatralische Pause zu machen.
Schließlich sagte er: «Marie Sophie bekam Zwillinge.»
«Nein.» Die Principessa hatte sich fast an dem Rauch ihrer Zigarette verschluckt.
«Zwei Mädchen», sagte Tron. «Viola und Daisy.
Viola wurde Onkel Ludwig und Tante Henriette von Bayern übergeben, die, um keinen Verdacht zu erregen, für einen längeren Aufenthalt nach Genua gingen und dort die Geburt einer Tochter anzeigten.
Daisy, das andere Mädchen, wurde seinem Vater anvertraut. Armand de Lawayss hat sie mit nach Brüssel genommen. Jetzt ist er todkrank und praktisch mittellos.»
«Und deshalb braucht die Königin dringend Geld?»
Tron nickte. «So wie die Dinge liegen, kann sie niemanden darum bitten.»
«Was hast du vor?»
«Troubetzkoy einen Besuch abzustatten. Und ihn nach seinem Alibi für gestern Abend zu befragen.»
«Sagst du ihm, dass die Königin Kostolany auf dieser Fotografie nicht wiedererkannt hat?»
«Ich werde alle Karten auf den Tisch legen», sagte
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