Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gondeln aus Glas

Gondeln aus Glas

Titel: Gondeln aus Glas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicolas Remin
Vom Netzwerk:
gerne verzichtet hätte. Doch dann servierte ihm Signora Caserta tatsächlich eine Überraschung – was Tron kindischerweise für sie einnahm.
    «Der Lloyd-Fall», sagte Signora Caserta fröhlich.
    «Ihre Flucht aus den Bleikammern. Der Maskenball.
    Meine, äh …» Sie brach den Satz ab, und die Fröhlichkeit auf ihrem Gesicht war plötzlich verschwunden. «Meine Zofe hat mir davon erzählt.» Sie holte Atem wie nach einer großen Anstrengung. «Doch ich stehle Ihnen Ihre Zeit, Commissario. Worum geht es also?»
    «Um einen Kunsthändler im Palazzo da Lezze»,  sagte Tron.
    «Sprechen Sie von Signor Kostolany?»
    «Ja.»
    «Was ist mit ihm?» Signora Caserta runzelte die Stirn.
    Tron hatte nie viel davon gehalten, sich in solchen Situationen mit langen Vorreden aufzuhalten.
    «Kostolany ist gestern Nacht im Palazzo da Lezze ermordet worden.»

    Signora Casertas Kopf fuhr zurück, als hätte ihr der Satz einen Schlag ins Gesicht versetzt. Einen Moment lang verharrte sie regungslos vor dem Fenster. Ihre Augen, die Tron anstarrten, wurden wieder groß, aber diesmal waren sie absolut leer. Schließlich wich die Leere einer entsetzten Miene, und Tron konnte förmlich sehen, wie die Gedanken hinter ihrer Stirn aufgeregt durcheinander wirbelten. Ihre Lippen zitterten, als sie sprach. «Kostolany ist ermordet worden?»
    Tron nickte. «Sein Assistent hat ihn gestern Nacht gefunden und uns sofort benachrichtigt.»
    «Und warum … kommen Sie zu mir?» Die Stimme von Signora Caserta klang stockend und atemlos.
    Ihre Miene besagte, dass sie die Antwort bereits kannte.
    «Weil Ihr Name in Kostolanys Terminkalender  stand», sagte Tron knapp. «Trifft es zu, Signora Caserta, dass Sie an diesem Abend im Palazzo da Lezze gewesen sind?»
    Signora Caserta schien einen Moment scharf  nachzudenken, so als wäre ein Besuch im Palazzo da Lezze nur einer von vielen Terminen gewesen, die sie gestern Nacht zu absolvieren gehabt hatte.
    Schließlich blickte sie auf und nickte. «Ja, das trifft zu, Conte. Zusammen mit einem Freund der Familie. Er wohnt ebenfalls im Regina e Gran Canal.» Sie hatte flüssig gesprochen, aber Tron spürte, wie unter der Oberfläche ihrer Stimme eine diffuse Angst mitschwang.

    «Um welche Uhrzeit waren Sie bei Signor Kostolany?»
    Tron wusste, dass Sergente Bossi, der immer noch neben der Tür des Salons stand und jedes Wort dieser Unterhaltung aufmerksam verfolgte, jetzt sein Notizbuch zücken würde. «Erinnern Sie sich daran, Signora?»
    «Es war genau zehn Uhr. Als wir am Wassertor  angelegt haben, fingen die Kirchenglocken an zu läuten.»
    «San Samuele?»
    «Das Läuten kam von der Kirche auf der anderen Seite des Canal Grande.»
    «Wie lange sind Sie anschließend im Palazzo da Lezze gewesen?»
    «Höchstens eine halbe Stunde.»
    «Verraten Sie mir den Grund Ihres Besuches?»
    Signora Caserta sah Tron misstrauisch an, schien dann aber zu dem Schluss zu kommen, dass dies eine berechtigte Frage war. Sie sagte: «Ich hatte die Absicht, Signor Kostolany ein Gemälde zu verkaufen.»
    «Haben Sie es ihm verkauft?»
    Signora Caserta schüttelte den Kopf. «Kostolany hat das Gemälde zur Ansicht behalten. Es ging dabei um viel Geld, und er brauchte Zeit, um das Gemälde zu prüfen.» Sie nestelte am Kragen ihrer Krinoline und sagte, ohne Tron dabei anzusehen: «Um sicher zu sein, dass es sich dabei nicht um eine Fälschung handelt.»
    «Über was für ein Bild reden wir?», erkundigte sich Tron.

    «Über einen Tizian. Eine Darstellung der Magdalena.» Signora Caserta deutete mit der Hand auf eine Ansicht der Piazza San Marco, die an der Wand des Salons hing und ungefähr die Größe eines Frühstückstabletts hatte. «Nicht größer als dieses Bild dort.
    Vielleicht haben Sie das Gemälde ja bemerkt.» Sie sah Tron ängstlich an.
    Tron schüttelte bedauernd den Kopf. «Es hingen ungefähr zwei Dutzend Bilder an der Wand.»
    «Wir hatten verabredet», sagte Signora Caserta matt, «Kostolany heute Abend um dieselbe Zeit zu besuchen.»
    Dann wandte sie sich abrupt ab, ging schwankend zum Fenster, und Tron sah, wie sie, schwer atmend, beide Hände auf das Fensterbrett stützte. Als sie sich einen Augenblick später umdrehte, war ihr Gesicht kalkig bis in die Lippen – nur auf den Wangen zeigten sich jetzt lebhafte rote Flecken. Sie machte zwei unsichere Schritte in Trons Richtung, und neben einem Sessel, der mit zwei anderen um ein Tischchen gruppiert war, blieb sie stehen.
    «Conte Tron», sagte Signora

Weitere Kostenlose Bücher