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Gondeln aus Glas

Gondeln aus Glas

Titel: Gondeln aus Glas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicolas Remin
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Sie Kostolany angeboten haben, tatsächlich ein Original war?»

    Die Contessa runzelte die Stirn. «Wollen Sie damit etwa andeuten, Ercole hätte versucht, Kostolany eine Fälschung zu verkaufen?»
    Ja, natürlich. Was denn sonst? Ob er ihr von seinen Geschäften mit Sivry erzählen sollte? Nein – lieber nicht. Die Contessa schien über die Unterstellung, sie hätten versucht, Kostolany eine Fälschung anzudrehen, aufrichtig empört zu sein. Oder spielte sie ihm nur etwas vor?
    Tron setzte ein verschwörerisches Lächeln auf und machte einen letzten Versuch. «Ich hätte durchaus Verständnis dafür, Contessa, wenn …»
    Sie unterbrach ihn mit einer brüsken Handbewegung. «Nein, Commissario. Das haben wir nicht.»
    Betonung auf nicht. «Ercole sagt», fuhr sie fort, «das Originalpapier hatte am Rand kein Wasserzeichen.»
    Tron runzelte die Stirn. «Und in dem Blatt, das Kostolany Ihnen zurückgegeben hat, befand sich ein Wasserzeichen? Ist es das, was Sie sagen wollen?»
    Die Contessa Valmarana nickte wütend. «Damit  dürfte bewiesen sein, dass Kostolany uns anstatt des Originals eine Fälschung zurückgegeben hat.»
    Tron stellte bestürzt fest, dass sich auf den Unterlidern der Contessa Valmarana Tränen gebildet hatten. Er räusperte sich, um ihr Zeit zu geben, sich zu sammeln. Dann fragte er: «Was hat das Gespräch ergeben, das Ihr Gatte gestern Abend mit Signor Kostolany geführt hat?»
    Die Contessa hatte ihre Contenance wiedergefunden. Lediglich ihr inkommodierter Gesichtsausdruck trat jetzt noch deutlicher hervor. Tron fing an, diese Frau aufrichtig zu bewundern.
    «Nichts hat sich ergeben», sagte die Contessa Valmarana mit völlig beherrschter Stimme. «Kostolany hat darauf beharrt, dass wir eine Fälschung verkaufen wollten.»
    «Haben Sie mit Ihrem Gatten über Einzelheiten dieser Unterredung gesprochen?»
    «Ercole war nicht besonders gesprächig, als er gestern nach Hause kam.» Die Contessa Valmarana zuckte die Achseln. «Das kann ich verstehen. Die ganze Geschichte ist äußerst … fatal für uns.»
    Tron erhob sich, und Bossi stand ebenfalls auf.
    «Wo und wann kann ich den Conte erreichen?»
    Die Contessa Valmarana sah ihn forschend an, so als könne sie in seinen Augen lesen, auf welcher Seite er stand. Dann sagte sie langsam: «Ercole kommt heute Abend mit dem letzten Zug aus Mailand. Er ist seit einiger Zeit für die Eisenbahngesellschaft tätig.»

    Fünf Minuten später – so lange hatte es gedauert, sich durch die stark bevölkerten Treppenhäuser und Flure des Palazzo Valmarana ins Freie zu kämpfen – standen Tron und Bossi wieder auf der Calle del Pestrin. Hier, auf dem Grund der Gasse, war die mittägliche Sonne nicht zu sehen, nur ein hellblaues Band über ihren Köpfen, eingefasst von den Rü schen der Dachziegeln, erinnerte daran, dass ein jovialer Junitag über der Stadt lag.
    Bossi sah Tron von der Seite an. «Halten Sie es  wirklich für möglich, dass dieser Kostolany ein Original in Empfang nimmt und den Valmaranas eine Kopie zurückgibt, Commissario?» Der Sergente schüttelte ungläubig den Kopf.
    Tron musste unwillkürlich lächeln. Die Verbindung von technischem Sachverstand mit persönlicher Naivität, wie sie der junge Sergente verkörperte, faszinierte ihn immer wieder.
    «Michelangelo war dafür bekannt», sagte er, «dass er sich Originale ausborgte und Kopien zurückgab.
    Das ist keine besonders originelle Idee. Aber nachweisen können die Valmaranas die Nummer vermutlich nicht.» Er zuckte die Achseln. «Am Ende wird ihnen gar nichts anderes übrig bleiben, als diese Fälschung irgendwann als Original zu verkaufen.» Tron bewegte seinen Kopf nach oben und zur Seite, in ernsthaftem Nachsinnen. Dann fügte er hinzu: «Am besten an einen Ausländer.»
    Bossi guckte jetzt ziemlich verstört, aber Tron redete ungerührt weiter. «Falls es sich um zeitgenössisches Papier handelt, wird kaum jemand einen Unterschied feststellen können. Die Zeichnung als solche ist tadellos. Mir ist auch eine gute Fälschung lieber als ein schlechtes Original.»
    Das entsprach ziemlich genau der Philosophie, nach der Trons Freund, der Kunsthändler Alphonse de Sivry, seine Geschäfte abwickelte. Mit zweitklassigen Originalen gab sich Sivry nicht ab, wohl aber mit erstklassigen Kopien – die man dann aus künstlerischen Gründen dem Kunden getrost als Original verkaufen konnte. Tron hatte diese künstlerische Herangehensweise an den Kunsthandel immer befürwortet. Sie hatte sich

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