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Gondeln aus Glas

Gondeln aus Glas

Titel: Gondeln aus Glas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicolas Remin
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als gesunde Basis für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen ihm und Sivry herausgestellt.
    Auf einmal spürte Tron, wie Bossis Blick auf ihm ruhte. Er wusste, was jetzt kam. «Darf ich fragen», erkundigte sich der Sergente zaghaft, «woran Sie erkannt haben, dass es sich um eine Fälschung gehandelt hat, Commissario?»
    Na, bitte. Tron hatte es geahnt. Der Sergente war immer noch tief beeindruckt. Bossis Stimme, die für Trons Geschmack immer etwas besserwisserisch klang, wenn er Wörter wie Indizienkette und Spurensicherung aussprach, hörte sich jetzt bescheiden, fast ehrfürchtig an.
    «Das ist alles eine Frage der Erfahrung, Sergente», sagte Tron. Er bedachte Bossi mit einem väterlichen Lächeln. «Von den Werken unserer Meister geht für den Kenner ein ganz spezielles Fluidum aus. Wäre diese Zeichnung ein Original aus der Hand des Urbinaten gewesen, dann hätte die Luft über dem Blatt vibriert. Aber dieses Blatt war einfach – mausetot.»
    Aus den Augenwinkeln sah Tron, wie Bossis Unterkiefer herunterklappte.
    «Wenn Sie viel von diesem Zeugs gesehen haben», fuhr er lässig fort, «dann haben Sie das irgendwann in den Fingerspitzen.»
    So – das würde den Sergente für eine Weile zurechtstutzen.

5
    Signora Caserta – höchstens fünfundzwanzig Jahre alt und in eine Krinoline aus grünem Atlas gekleidet, die gut zum Haselnussbraun ihrer Haare passte – stand am Fenster des Empfangszimmers ihrer Suite im Regina e Gran Canal, und ihre Miene drückte aus, dass sie den Besuch der venezianischen Polizei als Belästigung empfand. Seine bescheidene Visitenkarte, die Tron der Zofe gegeben hatte und die ihn als Commissario der venezianischen Polizei auswies, hielt Signora Caserta zwischen zwei spitzen Fingern. Tron bezweifelte, dass sie mehr als nur einen flüchtigen Blick darauf geworfen hatte.
    «Sie sind von der venezianischen Polizei?» Eine völlig überflüssige Frage, fand Tron, denn Bossi, der einen Schritt hinter ihm stand, trug wie gewöhnlich Uniform. «Worum geht es?»
    Ihr neapolitanisch gefärbtes Italienisch hatte eine minimale Beimischung, die Tron nicht genauer bestimmen konnte – fast hörte es sich nach einem deutschen Akzent an. Ebenfalls irritierend fand Tron, dass ihm Signora Caserta vage bekannt vorkam – oder ihn stark an jemanden erinnerte. Aber an wen?
    Wo und wann hatte er dieses energische Kinn und diesen sinnlichen Mund mit den leicht herabgezogenen Mundwinkeln, die der Signora einen maulenden Ausdruck verliehen, schon einmal gesehen? Jedenfalls war sie eine gut aussehende junge Frau mit einer eleganten Taille, einem hübschen Profil und prächtigen,  zu Zöpfen geflochtenen und kunstvoll um den Kopf gelegten Haaren.
    Prächtig war auch das Bild, das sich auf der anderen Seite des Canalazzo zeigte: die dem Regina e Gran Canal gegenüberliegende Dogana, deren goldene Atlasfigur im Sonnenlicht funkelte, dahinter die Masten der Segelschiffe, die an den schwimmenden Kais an der Mündung des Giudecca-Kanals festgemacht hatten. Über allem wölbte sich ein heiterer, fast wolkenloser Sommerhimmel – ein perfekter Tag für einen Ausflug mit der Gondel, doch Signora Caserta schien sich nicht zu ihrem Vergnügen in Venedig aufzuhalten. Bei allem Selbstbewusstsein, das sie ausstrahlte, ging eine unübersehbare Nervosität von ihr aus.
    Tron löste sich von Bossi und machte einen  Schritt in den Raum hinein. «Es geht um ein paar Fragen, die Sie leicht beantworten können, Signora Caserta», sagte er.
    Signora Caserta warf Tron einen düster unentschlossenen Blick zu, so als würde sie notfalls in Erwägung ziehen, sich seinen Fragen zu verweigern, ob sie nun leicht zu beantworten waren oder nicht.
    Schließlich hob sie die Visitenkarte, die sie immer noch gedankenlos in der rechten Hand gehalten hatte, vor ihr Gesicht und kniff die Augen zusammen.
    Und dann sah Tron, wie Signora Caserta plötzlich erstaunt ihren Mund öffnete. Als sie von der Visitenkarte aufblickte, waren ihre Augen groß und rund.
    «Commissario Tron?»
    Tron verbeugte sich schweigend.

    Signora Caserta gab sich keine Mühe, ihre Überraschung zu verbergen. «Conte Tron?»
    «Commissario Tron, Signora Caserta. Im Dienst Commissario. Sie kennen mich?» Tron lächelte gequält. Alle möglichen Leute, nicht nur in Venedig, schienen auf ihn aufmerksam geworden zu sein, seitdem sich herumgesprochen hatte, dass er der Verlobte der Principessa di Montalcino war – eine zweifelhafte Art der Bekanntheit, auf die er

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