Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gondeln aus Glas

Gondeln aus Glas

Titel: Gondeln aus Glas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicolas Remin
Vom Netzwerk:
wieder beruhigt zu haben.
    Der Großfürst lächelte sogar und sah Tron amüsiert an. «Wer mit dem Zaren ins Geschäft kommen will», sagte er dann im Ton eines geduldigen Lehrers, «braucht Verbindungen. Und die hatte Kostolany durch mich. Dass eine solche Hilfe honoriert wird, ist völlig normal und kein Grund, ein Dossier darü ber anzulegen. Da hat Ihnen jemand Unsinn erzählt.»
    Der Blick des Großfürsten signalisierte deutlich, dass er Tron für naiv hielt.
    Tron hob die Schultern. «Wir werden sehen, was der Botschafter dazu sagt.»

    Eine Bemerkung, die dem Großfürsten offenbar  nicht gefiel, denn sein Ton wurde scharf. «Ich frage mich», sagte er «wie der Botschafter den juristischen Status dieser Vernehmung bewerten würde.»
    Tron lächelte. «Das ist keine Vernehmung, Exzellenz.»
    «Und wieso fragen Sie mich dann, wann ich im  Palazzo da Lezze gewesen bin? Dazu sind Sie nicht befugt.»
    «Aber ich bin befugt», sagte Tron in höflichem Ton, «in Wien um Auskunft über diesen Vorgang zu bitten.» Er machte eine kleine Pause und sah Troubetzkoy aufmerksam an, als er weitersprach. «Übrigens hat der Mörder einen Tizian aus dem Palazzo da Lezze gestohlen», sagte er langsam. «Eine Darstellung der heiligen Magdalena.»
    Wie Troubetzkoy auf diese Mitteilung reagierte, war nicht zu erkennen, denn der Großfürst hatte sich während des letzten Satzes zurückgelehnt und die Augen geschlossen. Schließlich richtete er sich wieder auf, drehte seinen Kopf und lächelte. Doch diesmal konnte Tron keinen Humor in seinem Lächeln entdecken. Der Großfürst sagte: «Unterstellen Sie mir jetzt auch einen Raubüberfall?» Er stieß ein gezwungenes Lachen aus und fuhr dann mit erhobener Stimme fort. «Was schwebt Ihnen vor, Commissario?
    Eine Hausdurchsuchung?»
    Da hatte ihm der Großfürst ein hübsches Stichwort geliefert, fand Tron. Er beugte sich auf seinem Stuhl nach vorne und sagte im sachlichen Ton eines Anwaltes, der seinen Mandanten über einen unangenehmen juristischen Tatbestand aufklärt: «Eine Hausdurchsuchung, die ich auf der Grundlage von § 16, Artikel 2 des Zusatzprotokolls zum Vertrag vom 18.
    Februar 1821 jederzeit vornehmen könnte.» Und fügte, als er Troubetzkoys verwirrtes Gesicht sah, noch hinzu: «Das ist ein verspäteter Zusatz zur Schlussakte des Wiener Kongresses. Ursprünglich gedacht, um Zugriff auf die konsularischen Vertretungen Frankreichs zu haben. Aber rein formal auch gültig für die konsularischen Vertretungen des Zaren.»
    Offenbar hatte der Hieb gesessen, denn zum ersten Mal während ihres Gespräches schien der Groß fürst nervös zu werden. Seine Augen blitzten auf.
    «Sie wollen mir drohen, Signore?»
    Tron schüttelte den Kopf. «Ich bitte nur um Zusammenarbeit, Exzellenz. Also: Um welche Uhrzeit hat der Besuch im Palazzo da Lezze stattgefunden?»
    Troubetzkoy öffnete den Mund – vielleicht, um die Unterredung zu beenden –, aber bevor der  Großfürst etwas auf die Frage erwidern konnte, hörte Tron plötzlich eine Frauenstimme hinter seinem Rücken. «Vielleicht kann ich Ihnen die Frage beantworten, Commissario.»
    Tron sprang auf und drehte sich um.
    Bei der Frau, die den angelehnten Türflügel des Salons aufgestoßen hatte und jetzt neben dem überraschten Bossi stand, konnte es sich nur um die Großfürstin handeln. War sie jünger als der Großfürst oder gar älter? Tron fand es unmöglich zu sagen. Die Fürstin hatte ihre dunklen Haare zu einem festen Dutt zusammengezurrt, und unter ihren Haaren schimmerte mattweiß ihr Gesicht mit einem großen verhärmten Mund. Ihr gut geschnittenes Kleid aus schwarzem Atlas hätte an jeder anderen Frau elegant gewirkt, an ihr hing es schlotternd herab und erinnerte Tron an die Tracht einer Nonne.
    «Der Großfürst», fuhr sie fort, indem sie mit kurzen, abgehackten Schritten den Raum betrat, «ist kurz nach halb elf wieder im Palazzo Contarini gewesen. Ich kann es bezeugen.»
    Offenbar hatte die Großfürstin das Gespräch vom angrenzenden Salon aus verfolgt und sah auch keinen Anlass, ein Hehl daraus zu machen.
    «Ich kann ebenfalls bezeugen», fuhr sie mit einem eisigen Blick auf ihren Gatten fort, «dass der Groß fürst das Haus am Donnerstagabend nicht mehr verlassen hat.»
    Troubetzkoy, der jetzt beide Augen mit dem  Waschlappen bedeckt und den Kopf zur Wand ge dreht hatte, brummte etwas Unverständliches, aber die Großfürstin beachtete ihn nicht.
    «Der Großfürst», sagte sie, indem sie ihre Augen

Weitere Kostenlose Bücher