Gondeln aus Glas
tausend Leute täglich unsere Gondeln benutzen und den Namen TRON lesen.»
«Und dann unser Glas kaufen?»
Die Contessa nickte. «Das ist die Idee. Die Verteilung beginnt am Montag.» Sie nahm einen Schluck von ihrem warmen Pino Grigio und setzte demonstrativ ein befriedigtes Gesicht auf. «Übrigens dachten wir auch an die Behörden.»
«An welche Behörden?»
«An die Kommandantura. Vielleicht auch an das Hauptquartier in Verona.» Die Contessa fixierte Tron mit einem Unheil verheißenden Blick. «Und auch an die Questura, Alvise. Du könntest zum Beispiel mit Spaur reden und …»
«Bossi auf jeden Schreibtisch in der Questura eine Pressglasgondel stellen lassen?»
Die Contessa nickte. «Ich sehe nicht, was dagegen spricht. Und selbstverständlich erhält jeder unserer Gäste auf dem Ball eine Gondel aus Glas.» Sie sah Tron gespannt an. «Wann wirst du die Königin wiedersehen?»
«Sobald sich mit ihrem Tizian etwas Neues er gibt.»
«Was offenbar nicht der Fall ist.»
«Wir sind immer noch dabei, Zeugen zu vernehmen», sagte Tron. «Ich spreche nachher mit dem russischen Generalkonsul.»
Die Contessa neigte erstaunt den Kopf. «Dem Fürsten Troubetzkoy?»
«Du kennst ihn?»
«Nicht persönlich.» Die Contessa zuckte die Achseln. «Man sagt, dass er trinkt und Schulden hat.»
«Das wird von allen Russen behauptet. Meistens stimmt es nicht.»
«Was hat der Großfürst mit der Sache zu tun?»
«Wir glauben, dass er Kostolany gestern Abend besucht hat», sagte Tron.
«Steht er unter Verdacht?»
Tron schüttelte den Kopf. «Es gibt nur eine Eintragung in Kostolanys Terminkalender, der wir nachgehen.»
Die Contessa stocherte nachdenklich in ihrem anguilla in umido herum. Dann sagte sie in beiläufigem Ton: «Russen rauchen bekanntlich wie die Schlote.
Wenn du den Großfürsten besuchst, könntest du ihm eine Gondel mitnehmen. Als Aschenbecher.»
Tron sagte kühl: «Ich könnte .»
«Was soll das heißen?» Die Contessa sah Tron an wie einen Rekruten, der gerade einen Befehl verweigert hatte.
Tron ignorierte den wütenden Blick der Contessa. «Dass ich kein Weihnachtsmann bin. Und auch kein Handelsvertreter.»
«Niemand verlangt von dir, dass du den Leuten eine Preisliste aufdrängst.»
«Das ist sehr rücksichtsvoll von dir», sagte Tron.
«Vielen herzlichen Dank.»
«Aber», fuhr die Contessa ungerührt fort, «so ein Großfürst hat interessante Verbindungen. Es wäre keine schlechte Idee, ihn mit unseren Produkten bekannt zu machen. Außerdem ist der russische Markt ausgesprochen heiß, sagt die Principessa.»
Wie bitte? Tron sah vor seinem inneren Auge einen sonnendurchglühten Marktplatz, dahinter eine Kirche mit Zwiebeltürmen, auf deren Stufen sich Kosaken gegenseitig Wodka verkauften. Das konnte unmöglich gemeint sein, aber in der sala degli arazzi war es zu heiß, um nachzufragen.
11
Die Calle Mocenigo war eine schmale, direkt auf den Canalazzo führende Gasse, die in schwindelnder Höhe (so schien es jedenfalls, wenn man vom Grund der Gasse nach oben blickte) von einer hölzernen Brücke überquert wurde. Die Brücke – eher ein Steg mit einem Geländer – verband den Altan des Palazzo Contarini delle Figure mit dem Altan desPalazzo Mocenigo. Den Palazzo Mocenigo hatte Tron in den zurückliegenden Wochen häufig besucht, um mit Konstancja Potocki über das musikalische Programm für den Ball der Trons zu verhandeln. Die Potockis residierten im zweiten Stock des Gebäudes, also in der Etage, die (wie Tron bei seinem ersten Besuch mit amüsierter Überraschung feststellte) Lord Byron während seines Venedigaufenthaltes bewohnt hatte.
Vor ein paar Jahren hatte der Emporio della Poesia dem Dichter eine Sondernummer gewidmet, und Tron war Initiator eines Komitees, das für die Anbringung einer Gedenktafel an der Fassade des Gebäudes stritt.
Ob die Potockis wohl mit den Troubetzkoys verkehrten? Tron, der Sergente Bossi vor einer halben Stunde in der Questura abgeholt hatte und jetzt mit ihm die Namensschilder am Eingang des Palazzo Contarini studierte, bezweifelte es. Zwischen Polen und Russen herrschten traditionelle und solide Animositäten. Vermutlich, dachte Tron, beschränkte sich der Verkehr der beiden Familien auf ein frostiges Kopfnicken – falls sie es nicht gleich vorzogen, einander geflissentlich zu übersehen.
Die Fenster des Salons, in den ein livrierter Diener Tron und Bossi nach langen Verhandlungen geführt hatte, gingen zwar auf den Canalazzo hinaus,
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