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Gondeln aus Glas

Gondeln aus Glas

Titel: Gondeln aus Glas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicolas Remin
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zugesagt?»
    «Er hat sich bedeckt gehalten. Jedenfalls wurde auch über den Ball gesprochen.»
    Die Frage war überflüssig, aber Tron stellte sie trotzdem: «Und du hast erwähnt, dass die Königin anwesend sein wird?»
    Die Principessa seufzte. «Ja, und das war ein Fehler, denn Leinsdorf wird mindestens zehn Tage bleiben. Ich musste ihn also einladen. Und jetzt erwartet er, dass ich ihn mit der Königin bekannt mache.»
    «Die nur auf dem Ball erscheint, wenn ich vorher ihren Tizian finde.» Tron lächelte säuerlich und lehnte sich auf seinem Stuhl zurück. «Ist dir klar, was du von mir verlangst?»
    Die Antwort der Principessa flog über den Tisch wie ein Artilleriegeschoss. «Nur, dass du deine Arbeit erledigst. Du bist Commissario von San Marco, und in deinem Sestiere ist ein wertvolles Gemälde gestohlen worden. Das wiederzubeschaffen deine Pflicht ist.
    Wenn ich es richtig sehe, hast du sogar einen entsprechenden Eid abgelegt.»
    «Sinn des Eides war nicht», sagte Tron, «Einbrü che zu organisieren, um deine Kreditwürdigkeit zu sichern.»
    Ein Argument, das die Principessa nicht über zeugte. Sie sagte: «Darf ich dich daran erinnern, dass es auch darum geht, den Palazzo Tron zu sanieren?
    Und dass ich bereits in Vorleistung gegangen bin?»
    «Und darf ich dich daran erinnern, dass der Name Tron für eine Glasfabrik Gold wert ist? Das hast du selber gesagt. Von Vorleistung kann keine Rede sein.»
    Die Stimme der Principessa klang völlig sachlich.
    «Wenn Leinsdorf den Kredit nicht verlängert, kann ich dir nicht das Geld für den Emporio leihen.»
    Tron hatte auf einmal das fatale Gefühl, dass es heute mit dem Dessert nichts werden würde – kein tiramisu und auch keine pâte de groseilles. Aus den Augenwinkeln sah er, dass Massouda und Moussada dem Esstisch diskret den Rücken gekehrt hatten. Er sagte: «Das ist Erpressung.»
    Das Gesicht der Principessa war genauso ausdruckslos wie ihre Stimme. «Das hat mit Erpressung nichts zu tun. Ich werde das Geld nicht haben.»
    «Also hat die Contessa Recht gehabt, als sie sagte, dass du sparen musst.»
    Die Principessa runzelte die Stirn. «Wann hat sie das gesagt?»
    «Gestern. Als die Gondeln gekommen sind.»
    Die Augenbrauen der Principessa hoben sich  ruckartig. «Du weißt Bescheid?»

    Tron nickte. «Ich hatte sogar das Vergnügen, eine der Gondeln in den Händen zu halten.» Hatte sich das ironisch angehört? Hoffentlich nicht.
    «Und?» Die Principessa sah Tron fragend an.
    «Diese Gondeln sind sehr vielseitig», sagte Tron vorsichtig. «Man kann sie für Visitenkarten und für Pralinés, für Gräten beim Fischessen, für Zahnstocher und für Stahlfedern benutzen. Als Aschenbecher, als Briefbeschwerer und für kleine Desserts.»
    «Bist du fertig?» Das klang jetzt fast ein wenig ungnädig.
    Tron räusperte sich. Hatte er etwas vergessen? Ja, natürlich. «Und unter gewissen Umständen als Dekoration.»
    «Mit anderen Worten, du findest sie grauenhaft.»
    Tron schüttelte den Kopf. «Das würde ich so  nicht sagen. Es käme darauf an, ob …»
    Die Principessa unterbrach ihn mit einer ungeduldigen Handbewegung. «Sie sind grauenhaft, Tron.
    Aber sie erfüllen ihren Zweck.»
    «Und ihr wollt Montag anfangen, sie zu verteilen?
    An die Hotels, die Cafés und an den Lloyd?»
    Die Principessa nickte. «Wir dachten auch an die Kommandantura und an die Questura.» Sie warf einen finsteren Blick über den Tisch. «Und daran, dass du uns behilflich sein könntest.»
    Tron hatte befürchtet, dass das zur Sprache kommen würde. Er sagte: «Darüber hatte ich bereits ein Gespräch mit der Contessa.»
    «Und?»

    Tron fasste sich ein Herz. «Was ist mit dem Geld für den Emporio ?»
    Zu seiner Erleichterung hörte sich die Principessa fast belustigt an. «Das ist Erpressung», sagte sie. «Was ist mit der Questura?»
    Tron seufzte. «Einverstanden. Ich rede mit Spaur.»
    «Wie viel brauchst du?»
    «Zweihundert Gulden.»
    Die Principessa runzelte die Stirn. «Das ist nicht gerade wenig.»
    «Die Kosten für den Druck sind diesmal erheblich höher als normalerweise», sagte Tron. «Unsere Auflage springt von fünfhundert auf dreitausend.»
    Er registrierte befriedigt, wie sich Verblüffung auf dem Gesicht der Principessa breit machte. Dann zog sie die Augenbrauen hoch, richtete ihre grünen Augen auf ihn, und Tron stellte mit noch größerer Befriedigung fest, dass die Principessa diese Mitteilung wirklich interessierte. Er hatte sehr lange gebraucht, um zu

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