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Gondeln aus Glas

Gondeln aus Glas

Titel: Gondeln aus Glas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicolas Remin
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Umstand, dass der Bursche mit dem Barett ihn mehrmals verstohlen gemustert hatte. Lord Duckworth hatte versucht, die beiden Ganoven zu ignorieren, konnte aber nicht umhin, bisweilen ebenfalls einen verstohlenen Blick auf den Nebentisch zu werfen. Die morbide Faszination, die von diesem Verbrecherduo ausging, war einfach zu groß. Ob die beiden wohl ein großes Ding hier im Hotel planten?
    Lord Duckworth fragte sich ernsthaft, ob es nicht sicherer wäre, die wertvolle Handzeichnung, die er erworben hatte, im Hotelsafe unterzubringen, entschied sich dann aber nach reiflicher Überlegung, das kostbare Blatt unter der Matratze seines Bettes zu verstecken. Immerhin war nicht auszuschließen, dass das Hotelpersonal mit diesen Leuten unter einer Decke steckte. Als das Essen am Nebentisch serviert wurde – ein Gericht aus schleimig aussehenden Fleischpartikeln, die in einer braunen Soße schwammen –, hielt Lord Duckworth es für besser, seinen Kaffee im Schutz der aufgespannten Times zu sich zu nehmen.

    «Flaczki», sagte der Polizeipräsident freudig erregt, als der Ober die silberne Haube von der Platte nahm, die er zwischen Tron und Spaur auf den Tisch gestellt hatte. Dort stand das Gericht nun – ein undefinierbares Gehäuf von hellen Gekröseteilen, die von einer bräunlichen Soße überzogen waren und grünlich vor sich hin schimmerten. «Im Grunde», fuhr Spaur fort, «ist ein Flaczki nichts anderes als die polnische Variante eines Cervelle au beurre noir .»
    Tron hatte noch nie etwas von einem Cervelle au beurre noir gehört, aber dass es sich bei einem Flaczki um die polnische Variante eines französischen Gerichtes handelte, war sicherlich interessant zu erfahren.
    Der Polizeipräsident aß mit Vorliebe die inneren Organe von Vieh und Geflügel. Er liebte dicke Gänsekleinsuppen, leckere Muskelmägen, gespickte Bratherzen, panierte Leberschnitten und gerösteten Dorschrogen. Am allerliebsten waren ihm gegrillte Hammelnieren, die seinem Gaumen einen feinen Geschmack schwachduftigen Urins vermittelten.
    Hammelnieren waren am letzten Montag serviert worden, und Tron hatte das Gericht pflichtgemäß verspeist, während er darüber nachdachte, ob es nicht doch besser wäre, seinen Dienst zu quittieren und eine kaufmännische Tätigkeit für die Principessa zu verrichten.
    «Doch vorher trinken Sie einen Szklanka mit Wyborowa, Commissario.» In der rechten Hand hielt der Polizeipräsident eine Flasche, in der linken ein Glas, das er über den Tisch schob. «Dann rutscht das Flaczki besser.»
    Tron registrierte ohne Überraschung das himmelblaue Hemd, die gelbe Halsbinde und die rosa Punkte auf der Halsbinde des Polizeipräsidenten. Seitdem Spaur vor einem Jahr die Bekanntschaft von Signorina Violetta gemacht hatte, einer jungen Statistin aus dem Malibran Theater, hatte sich seine äußere Erscheinung dramatisch verändert. Das graue Haar des Polizeipräsidenten war über Nacht kastanienbraun geworden, und seine schlecht sitzenden schwarzen Gehröcke hatten sich in cremefarbene Meisterwerke des Schneiderhandwerks verwandelt, zu denen Spaur gerne farbenfrohe Hemden und ebenso farbenfrohe Halsbinden trug. Neu war das rötliche Samtbarett, das Spaur heute aufgesetzt hatte. Tron vermutete, dass es sich um ein Geschenk von Signorina Violetta handelte. Die sah den Polizeipräsidenten gerne als Künstler, und Spaur bemühte sich, diesem Bild zu entsprechen.
    «Ich habe», sagte Spaur eine halbe Stunde später, als das Gehäuf auf der silbernen Platte auf die Menge eines Servierlöffels zusammengeschrumpft war, «heute Morgen den Bericht über den Mord im Palazzo da Lezze gelesen. Allerdings wusste ich schon Bescheid.»
    Er lächelte säuerlich. «Wir haben Troubetzkoy gestern auf der Piazza getroffen. Der Großfürst hat Signorina Violetta ein reizendes Kompliment gemacht.
    Die Vorstellung, dass dieser Mann in einen Mord verwickelt sein könnte, ist lachhaft. Ich kann nur hoffen, dass von Ihrem taktlosen Besuch nichts zu Toggenburg dringt. Sonst hält er mir gleich einen Vortrag über die Wichtigkeit der guten Beziehungen zwischen Österreich und Russland. Was mich», fuhr Spaur in gedämpftem Ton fort, nachdem er einen Schluck aus seinem Szklanka getrunken hatte, «auf etwas anderes bringt, von dem der Stadtkommandant nichts wissen sollte.» Er beugte sich über die Reste seines Flaczki . «Können Sie es einrichten, dass Toggenburg nichts davon erfährt, dass ich ebenfalls etwas in dem nächsten Emporio

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