Gondeln aus Glas
äußere Erscheinung verwandt zu haben. Auf seiner frisch ausgebürsteten Uniform zeigte sich nicht das kleinste Stäubchen. Seine Stiefel glänzten wie zwei Spiegel, und sein vorschriftswidrig in den Nacken geschobener Polizeihelm verlieh ihm etwas Draufgängerisches.
Bossi, fand Tron, sah aus wie ein italienischer Polizist in einer französischen Operette. Ob er wohl gleich anfangen würde zu singen? In C-Dur? Der heroischen Tonart? Nein – er sprach nur. Allerdings in leicht singendem Tonfall. «Signorina Alberoni ist eine äußerst wertvolle Zeugin», sagte der Sergente.
«Signorina Alberoni?» Einen Moment lang wusste Tron nicht, von wem die Rede war.
«Die Signorina, die uns bei den Troubetzkoys ge öffnet hat», half ihm Bossi auf die Sprünge. «Ich traf sie gestern Abend zufällig auf der Piazza und habe sie dienstlich angesprochen.» Der Sergente stieß einen Seufzer aus und warf einen träumerischen Blick auf die Schreibtischkante. «Wenn sie lacht, zeigen sich kleine Grübchen in ihren Mundwinkeln. Ich finde, ihr Profil hat etwas ausgesprochen …» Er seufzte wieder, holte tief Atem und ließ den Satz unvollendet.
Jedenfalls hatte Bossis Gesichtsausdruck, fand Tron, etwas ausgesprochen Weggetretenes – der Gesichtsausdruck Titanias, nachdem sie Pucks Zaubertrank gekostet hatte. War die Johannisnacht schon vorbei? Tron konnte sich nie an das Datum erinnern.
Schärfer als beabsichtigt sagte er: «Kommen Sie endlich zur Sache, Sergente.»
Bossi zuckte zusammen und räusperte sich um ständlich. «Signorina Alberoni hat gesehen», sagte er,
«wie Troubetzkoy den Palazzo Contarini kurz vor neun verlassen hat. Der Großfürst ist gegen halb zwölf zurückgekommen, und dann hat es einen fürchterlichen Streit zwischen ihm und der Fürstin gegeben.»
Trons Brauen schossen nach oben. Das bedeutete, dass Troubetzkoys Alibi nichts wert war. Nicht dass es ihn wirklich überraschte. «Also hat die Großfürstin gelogen», konstatierte er.
Bossi nickte. «Damit dürfte der Fall klar sein.»
Jedenfalls für Bossi, der auch gleich einen Schlachtplan parat hatte. «Wir brauchen nur noch den Tizian aus dem Palazzo Contarini», sagte er. Und fügte mit dienstlicher Stimme hinzu: «Ich könnte den Kontakt zu Signorina Alberoni ohne weiteres vertiefen.»
Was Tron nicht überraschte. Er lächelte. «Das wird nicht nötig sein, Bossi.» Er berichtete von seinem Gespräch mit Sivry.
«Also hat Troubetzkoy den Tizian vorsichtshalber auf dieses Schiff gebracht.» Bossi machte ein nachdenkliches Gesicht. «Weil Sie ihm mit der Hausdurchsuchung Angst gemacht haben.» Er lehnte sich zurück und starrte einen Moment lang zur Decke.
Dann sagte er: «Wenn wirklich keine Mannschaft auf der Brigg ist, könnte ich doch …»
Tron unterbrach ihn mit einer energischen Handbewegung. «Nein, Bossi. Denken Sie nicht einmal darüber nach. Die Karenina liegt nur ein paar Schritte von der Kaserne der Kroatischen Jäger entfernt. Die schicken die ganze Nacht lang Doppelstreifen über die Fondamenta degli Incurabili. Das Risiko, erwischt zu werden, ist zu hoch. Außerdem wissen wir noch nicht einmal, ob es sich bei dem Mann, der gestern Nacht an Bord der Karenina war, tatsächlich um Troubetzkoy gehandelt hat.»
«Aber wir haben eine fast lückenlose Indizienkette, Commissario.» Tron hatte gewusst, dass Bossi dieses Wort jetzt benutzen würde. «Es gibt ein plausibles Motiv, ein falsches Alibi und den Versuch, das wichtigste Beweisstück aus dem Weg zu schaffen. Was brauchen wir mehr?»
Tron schüttelte den Kopf. «Es gibt lediglich Gerüchte und Spekulationen. Und wenn Troubetzkoy in der Mordnacht den Palazzo Contarini noch einmal verlassen hat, heißt das noch lange nicht, dass er auch Kostolany ermordet hat.»
«Was hätte die Großfürstin dann für einen Grund gehabt, uns zu belügen?»
Tron zuckte die Achseln. «Ich weiß es nicht, Bossi. Dafür kann es alle möglichen Erklärungen geben.
Ich weiß nur, dass wir uns auf vermintem Gelände bewegen.»
«Und was machen wir jetzt?»
«Wir statten Troubetzkoy einen zweiten Besuch ab und weisen ihn darauf hin, dass sein Alibi nicht standhält», sagte Tron. «Und eröffnen ihm, dass jemand gestern Nacht an der Fondamenta degli Incurabili beobachtet hat, wie er ein Paket an Bord der Karenina gebracht hat.»
«Wir bluffen?»
Tron nickte. «Notfalls schlagen wir ihm ein Geschäft vor. Er gibt das Bild zurück, und wir lassen ihn ziehen. Verhaften können wir ihn ohnehin
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