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Gondeln aus Glas

Gondeln aus Glas

Titel: Gondeln aus Glas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicolas Remin
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wirbelte er auf dem Absatz herum, aber es war zu spät. Weder sah er den Stock, der aus der Dunkelheit auf seine rechte Hand niedersauste, noch den Fuß, der seine Hüfte traf. Er machte eine Drehung nach links, verlor das Gleichgewicht und ging zu Boden.
    Seine letzte Empfindung war der dumpfe Schmerz, mit dem sein Kopf im Fallen gegen etwas Hartes schlug. Dann breitete sich gnädige Dunkelheit aus, und er verlor das Bewusstsein.

    «Herzlichen Dank, Sergente, dass Sie mich nicht erschossen haben», sagte Tron fünf Minuten später zu Bossi, der, mit einem schwarzen Radmantel bekleidet, auf dem Boden der Kabine lag und leise stöhnte.
    Tron hatte mit einiger Erleichterung zugesehen, wie der Sergente wieder zu sich gekommen war: erst das Flattern und Aufschlagen der Augenlider, dann ein leerer, verständnisloser Blick und schließlich das Erkennen, gefolgt von schuldbewusstem Gehüstel und Gestöhne.
    «Es lief alles ganz hervorragend», sagte Tron, «bis Sie hier aufgetaucht sind, Sergente.»
    Bossi richtete sich auf und rieb sich den Kopf.
    «Was ist passiert?»
    Tron musste auf einmal lachen. «Ich habe einen bewaffneten Maskierten aus dem Verkehr gezogen.
    Der offenbar dachte, dass ich ihn nicht bemerkt hätte. Sein Revolver hatte mich etwas nervös gemacht.»
    «Er war nicht geladen, Commissario.»
    «Das konnte ich nicht wissen», sagte Tron. «Und auch nicht, dass Sie hier auftauchen würden. Können Sie aufstehen?» Er hatte nicht die Absicht, Bossi zu bemitleiden, noch weniger war er in der Stimmung, Bossi eine Standpauke zu halten.

    Der Sergente erhob sich vorsichtig, wobei er, noch im Sitzen, die Strumpfmaske und den Revolver in den Taschen seines Radmantels verstaute. Schließ lich stand er leicht schwankend neben dem Kajüttisch, auf dem immer noch das Bild lag. Einen Moment lang heftete sich Bossis Blick auf das Gemälde.
    Dann sah er Tron an. «Ist das der Tizian?»
    Tron nickte. «Maria Magdalena. Das Bild ist sogar signiert.»
    «Sivry hat also Recht gehabt.»
    «Er hat nie behauptet, dass Troubetzkoy den Tizian auf die Karenina gebracht hat», sagte Tron. «Wir haben nur Glück gehabt, Bossi. Das alles war eine Lotterie.»
    «Und was machen wir jetzt?»
    «Wir statten Troubetzkoy einen zweiten Besuch ab. Gleich heute früh. Und nehmen den Tizian mit.»
    «Womit Troubetzkoy geliefert wäre», sagte Bossi.
    Tron schüttelte den Kopf. «Nicht unbedingt.
    Troubetzkoy wird behaupten, dass Kostolanys Mörder das Bild auf die Karenina gebracht hat, um ihn zu belasten. Der Tizian allein reicht nicht aus, um Troubetzkoy zu überführen.»
    «Und sein falsches Alibi?»
    «Dabei stünde Wort gegen Wort. Das Wort eines Hausmädchens gegen das Wort einer Großfürstin.
    Sie wollten ja ohnehin nicht, dass Signorina Alberoni aussagen muss.»
    «Und was erwarten Sie dann von diesem Besuch?»
    Tron zuckte die Achseln. «Dass Troubetzkoy die Fassung verliert. Ihm einen Moment lang die Maske vom Gesicht rutscht, wenn wir ihn mit dem Tizian konfrontieren.»
    «Wir können ihn aber trotzdem nicht verhaften, oder?»
    «Leider nicht», sagte Tron. «Aber wir haben den Tizian sichergestellt. Was die Königin von Neapel erfreuen wird. Und wenn Troubetzkoy tatsächlich die Contenance verliert, wissen wir, wer das Verbrechen begangen hat. Damit ist der Fall für uns abgeschlossen.» Tron richtete den Schein seiner Laterne auf Bossi. «Was ist mit Ihrer Nase passiert, Sergente?»
    Selbst im trüben Licht der Blendlaterne, die Tron auf Bossis Gesicht richtete, war deutlich zu erkennen, dass die Nase des Sergente angeschwollen war und einen dunklen Purpurton angenommen hatte.
    Bossi befummelte seine Nase und stieß einen  kleinen Schmerzschrei aus. «Sie tut ein wenig weh.»
    Er sah Tron fragend an. «Was soll damit sein?»
    Tron musste lachen. «Sie sehen aus wie Cyrano de Bergerac, Sergente.»
    Bossi hob die Augenbrauen. «Wer ist das?»
    «Ein Hauptmann der Gascogner Garden», sagte  Tron. «Unglücklich verliebt. Ich müsste Sie eigentlich vom Dienst suspendieren, Sergente.»
    Bossi stieß einen tiefen Seufzer aus. Ob er dabei an seine Nase oder an Signorina Alberoni dachte, blieb unklar. «Commissario, ich wollte doch nur …»

    «Die Indizienkette schließen, ich weiß. Ich könnte über diese Eigenmächtigkeit hinwegsehen, wenn Sie jetzt noch ein wenig Zeit für mich hätten.»
    «Und was soll ich tun?»
    «Mich mit dem Gemälde begleiten.» Tron musste an die Gascogner Garden denken. Er sagte: «Gewissermaßen als

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