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Gondeln aus Glas

Gondeln aus Glas

Titel: Gondeln aus Glas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicolas Remin
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nicht.
    Wir dürfen noch nicht einmal offiziell gegen ihn ermitteln, ohne den Ballhausplatz in Wien einzuschalten.»
    Bossi sagte: «Aber der Idealfall wäre schon, wenn wir das Bild auf der Karenina sicherstellen könnten.»

15
    «Das ist eine hervorragende Idee», sagte die Principessa gut gelaunt. Sie fischte ein carré noisette von der silbernen Schale, die auf dem Tischchen vor ihrer Récamiere stand, und sah Tron strahlend an. Der Tizian auf der Karenina – das versetzte sie in Hochstimmung. Trons zaghaften Einwand, dass niemand mit Sicherheit sagen könne, ob sich das Gemälde tatsächlich auf der Brigg befand, hatte sie störrisch ignoriert.
    «Wenn du willst», fuhr die Principessa lebhaft fort,
    «kannst du meine Gondel nehmen. Moussada könnte dich begleiten. Dann brauchst du den Tizian nicht selbst zu tragen. Soll ich dir etwas zum Einschlagen mitgeben, oder meinst du, es findet sich alles an Bord?» Sie warf einen Blick nach draußen. «Hoffentlich fängt es nicht an zu regnen.»
    Die Fenster zum Canalazzo standen weit auf, und Tron sah, dass die Sorge der Principessa nicht unbegründet war. Der Himmel hatte sich bezogen, und das, dachte Tron, war nicht schlecht, denn das Letzte, was er heute Nacht gebrauchen konnte, war heller Mondschein.
    Unwillig sagte er: «Du redest, als sollte ich irgendwo ein Pfund Käse abholen. Darf ich dich daran erinnern, dass es um einen Einbruch geht? Auf einem Schiff, das wahrscheinlich einen exterritorialen Status hat? Das ich nur mit Einwilligung des russischen Konsuls betreten darf?»
    «Wo liegt das Problem? Du gehst an Bord, nimmst das Bild und verschwindest wieder», sagte die Principessa. «Dann ist Troubetzkoy geliefert, und die Königin von Neapel wird sich vor Dankbarkeit überschlagen.»
    Sie musterte Tron mit einem Blick schieren Entzü ckens – so als wäre er einer der Heiligen Drei Könige, der gerade einen Eimer Weihrauch anschleppte.
    «Wenn Spaur davon erfährt, bin ich geliefert.»
    «Wie sollte er davon erfahren?»
    «Ich könnte erwischt werden.»
    «Von wem?»
    «Von einer Patrouille. Das östliche Dorsoduro wimmelt nur so von Militär.»
    «Wenn dich die Kroatischen Jäger erwischen, redest du einfach mit Palffy und erklärst ihm die Situation. Dann ist der Fall erledigt.»

    «Der Generalleutnant wird im Bett liegen, und der wachhabende Offizier wird sich weigern, ihn aus dem Schlaf zu reißen – nur weil sie einen Einbrecher geschnappt haben. Außerdem wissen wir nicht, ob Palffy überhaupt in Venedig ist.»
    «Sag dem wachhabenden Offizier, dass du Commissario von San Marco bist und in einer prekären Sache ermittelst. Dann lässt er dich laufen.»
    «Er wird mich allenfalls der venezianischen Polizei überstellen und vorher ein Protokoll aufnehmen.
    Und dieses Protokoll wird bei Spaur landen. Und außerdem …»
    «Außerdem?»
    Der Himmel über dem Canalazzo hatte sich weiter verdunkelt, und Tron musste daran denken, dass in Kolportageromanen das Wetter immer mit der Stimmung des Helden übereinstimmte. Er sagte seufzend: «Und außerdem habe ich ein schlechtes Gefühl.»
    «Niemand verlangt von dir, dass du dich gut  fühlst, wenn du einen Einbruch begehst.» Die Principessa fischte sich ein weiteres carré noisette von der Silberschale und ließ es in ihrem Mund verschwinden.
    Tron schüttelte den Kopf. «Das meine ich nicht.»
    «Und was meinst du?»
    «So eine unbewachte Brigg ist nicht gerade das ideale Versteck für einen wertvollen Tizian», sagte Tron. «Troubetzkoy könnte es für besser halten, das Bild doch lieber an einem anderen Ort unterzubringen. Und meine Lust, mit ihm auf der Brigg zusammenzutreffen, hält sich in Grenzen.»
    «Dass Troubetzkoy genau zur selben Zeit auf der Karenina auftaucht wie du, ist ziemlich unwahrscheinlich. Aber nimm doch Bossi mit, falls du Bedenken hast.»
    «Wenn irgendetwas schief geht, ist Bossis Karriere ruiniert. Dafür will ich nicht verantwortlich sein.»
    Auf seine eigene Karriere Rücksicht zu nehmen kam offenbar niemandem in den Sinn. Er stand auf.
    «Du gehst?» Die Principessa zog die Augenbrauen hoch.
    «Ich brauche meine Blendlaterne und meine Dietriche aus dem Palazzo Tron.»
    «Dann lass dich wenigstens bringen.»
    Tron schüttelte trotzig den Kopf. «Ich gehe zu Fuß.»
    Als Tron die kleine Gasse hinter dem Palazzo der Principessa betrat, stellte er fest, dass sich der milde Ostwind zu einer kräftigen Brise verstärkt hatte. Es roch nach nahendem Regen, zugleich aber schien der

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