Gondeln aus Glas
einer Erzählung verknüpfen.»
Lord Duckworth hatte es gewagt, hin und wieder über seine Times hinweg einen verstohlenen Blick auf den Nebentisch zu werfen. Er musste sich eingestehen, dass er sich in Bezug auf die Sprache, in der die beiden Gauner miteinander redeten, geirrt hatte.
Sie sprachen gar kein Polnisch. Sie redeten Rotwelsch! Die Gaunersprache! Die Unterredung der beiden Ganoven hatte damit geendet, dass der als Künstler getarnte Rundliche dem Abgerissenen ein paar Stichpunkte diktiert hatte – Stichpunkte, die es offenbar in sich hatten, denn der Abgerissene (im Rang wohl niedriger stehend) war bei jedem Wort, das er notiert hatte, bleicher geworden. Offenbar plante der Ganove mit dem Barett ein ganz großes Ding – so groß, dass der Abgerissene schon beim Notieren vor Angst schlotterte. Lord Duckworth hatte kurz mit dem Gedanken gespielt, die Polizei einzuschalten, unterließ es dann aber. Er beabsichtigte ohnehin, morgen den Lloyddampfer nach Triest zu nehmen, und es würde ein Fehler sein, sich in die Angelegenheiten von Ausländern einzumischen.
14
Obwohl Tron nach einem halben Dutzend Szklankas das unangenehme Gefühl hatte, durch knöchelhohen Zuckersirup zu waten, gelang es ihm, den Speisesaal des Danieli ohne Zwischenfall zu durchqueren. Zu seiner Erleichterung hatte ihn niemand auf dem Weg nach draußen angesprochen. Zwei Kollegen von der Steuerfahndung hatten ihn mit einem freundlichen Nicken gegrüßt, und Oreste Nava, der Chefportier des Danieli, hatte sich auf eine devote Verbeugung beschränkt, als Tron den Empfang passierte. Allerdings hatte er sich zu früh gefreut, denn drei Schritte vor der (neuen) Drehtür des Danieli erwischte es ihn.
Eine aufgeregt klingende Stimme hinter seinem Rücken rief seinen Namen.
«Commissario Tron?»
Tron blieb erschrocken stehen und brachte es fertig, sich umzudrehen, ohne dabei das Gleichgewicht zu verlieren. Einen Augenblick lang erwartete er, einen Kellner zu sehen, den Spaur ihm mit einem weiteren originellen Stichwort (Gondel? Mondschein?) hinterhergeschickt hatte, doch es war nur der neue Hilfsportier des Danieli, ein dickensscher Jüngling mit rötlich gelbem Haar, der ihm ein parfümiertes Briefchen entgegenstreckte.
Das Briefchen war hellblau (die Contessa hätte es ohne zu zögern als allerliebst bezeichnet) und trug in der linken Ecke ein eingeprägtes goldenes Grafenkrönchen, darunter stand de Sivry – ein Name, von dem Tron wusste, dass er im Gegensatz zu den meisten Gemälden, die Sivry verkaufte, absolut echt war.
Genauso echt war auch der dringliche Ton, in dem Sivry ihn bat, sofort nach seinem Essen mit Spaur (offenbar schien alle Welt zu wissen, dass er jeden Montag mit Spaur im Danieli Innereien verspeiste) in sein Geschäft an der Piazza zu kommen.
Als Tron die Kunsthandlung an der Piazza betrat, stand Sivry vor einer Staffelei und betrachtete mit glitzernden Augen ein kleinformatiges Ölgemälde.
Dafür, dass er Tron gerade durch ein parfümiertes Briefchen zu sich gebeten hatte, war die Begrüßung ausgesprochen beiläufig.
«Sehen Sie sich das an, Commissario», sagte Sivry mit leicht erregter Stimme. Seine sorgfältig manikürte Hand ergriff Trons Arm und zog ihn vor die Staffelei. Offenbar erwartete Sivry einen Kommentar, und Tron war ein wenig irritiert. War das der Grund, aus dem ihn der Kunsthändler so dringend zu sich gebeten hatte? Um ein Gemälde zu kommentieren?
Das Bild zeigte, aus dem Portikus der Dogana heraus beobachtet, den Aufstieg einer Montgolfiere, wobei der Maler sich mehr auf die Rückensicht der Zuschauer im Vordergrund konzentriert hatte als auf den Ballon selbst, der relativ klein über dem Giudecca-Kanal am Himmel schwebte. Der Pinselstrich war leicht, sicher und zugleich nervös, was dem Gemälde etwas Skizzenhaftes, dabei aber ungeheuer Lebendiges verlieh. Tron, der nie auf den Gedanken gekommen wäre, sich Alphonse de Sivry gegenüber als Kunstkenner aufzuspielen, sagte zaghaft: «Guardi?»
Sivry nickte. «Richtig, Commissario. Der Luftballon des Grafen Zambeccari. Es gibt allein in Venedig mehr als ein halbes Dutzend Kopien dieses Gemäldes.» Er grinste triumphierend. «Es ist mir aber heute Morgen gelungen, das Original zu erwerben.»
Was Sivry dem Verkäufer mit Sicherheit ver schwiegen hatte. Tron musste lachen. Und ein Original im Geschäft Sivrys zu sehen grenzte allerdings schon an ein kleines Wunder. Wahrscheinlich dachte Sivry nicht im Traum daran, das Gemälde zu
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