Gondeln aus Glas
verkaufen. «Ist das der Grund, aus dem Sie mich hergebeten haben? Um Ihren echten Guardi zu bewundern?»
Sivry schüttelte den Kopf. Plötzlich wurde er ernst. «Es geht um etwas, das ich gestern Nacht vor meiner Haustür beobachtet habe.»
Tron wusste, dass Sivry vor ein paar Jahren ein Haus am Giudecca-Kanal bezogen hatte – direkt an der Fondamenta degli Incurabili –, wobei den Kunsthändler weder der gesundheitsgefährdende Name dieser Adresse zu stören schien noch die vielen Segel- und Dampfschiffe, die sich in Zweierreihen direkt vor seinem Haus drängelten.
«War Ihnen bekannt», fuhr Sivry fort, «dass Troubetzkoy eine Brigg hat, die direkt vor meiner Haustür am Kai liegt?»
Tron machte ein ungläubiges Gesicht. «Troubetzkoy hat eine Brigg, die an den Zattere liegt? Sind Sie sicher?»
Sivry nickte. «Ich habe es zufällig vor vier Wochen erfahren. Von einem Ispettore der Dogana, der die Hafengebühren an den Zattere kassiert. Die Brigg kam vor drei Monaten mit einer russischen Mannschaft und ist seitdem nicht wieder bewegt worden.»
«Und die Mannschaft?»
Sivry zuckte die Achseln. «Keine Ahnung. Vielleicht wieder in Russland. An Bord jedenfalls ist sie nicht. Die Karenina ist ein Geisterschiff.»
«Und weshalb erzählen Sie mir das alles?»
Sivry lächelte. «Weil die Karenina gestern Nacht Besuch hatte. Kurz nach Mitternacht. Von einem Mann, der einen flachen Gegenstand unter dem Arm trug. Ich konnte nicht schlafen und sah zufällig aus dem Fenster. Hätte der Mond nicht geschienen, hätte ich den Mann wahrscheinlich nicht gesehen.»
«Einen Gegenstand von der Größe eines Frühstückstabletts?»
Sivry nickte. «Ja, das könnte hinkommen.»
«Und was ist dann passiert?»
«Der Mann ist unter Deck verschwunden. Als er wieder auf Deck erschien und über den Steg lief, da hatte er …»
«Das Paket nicht dabei. Weil er es auf dem Schiff gelassen hatte.»
«Genau das wollte ich sagen, Commissario.» Sivry lächelte. «Was sich in dem Paket befunden hat und wer der Mann war, der es auf die Karenina gebracht hat, weiß ich natürlich nicht. Aber vermutlich werden Sie dieselben Schlüsse ziehen wie ich.»
«Und welche Schlüsse ziehen Sie?»
«Dass Troubetzkoy den Mord begangen und auch den Tizian mitgenommen hat. Und ihn jetzt aus dem Haus geschafft hat. Vermutlich hat ihn der Besuch, den Sie ihm abgestattet haben, nervös gemacht.»
«Ich hatte angedeutet, dass es im Palazzo Contarini zu einer Durchsuchung kommen könnte.»
Sivry lächelte. «Die Sie natürlich nicht vornehmen dürfen. Aber offenbar wollte Troubetzkoy kein Risiko eingehen. Ich vermute mal, dass er Ihnen ein perfektes Alibi präsentiert hat.»
Tron nickte. «Die Großfürstin hat ausgesagt, dass Troubetzkoy zum Zeitpunkt der Tat im Palazzo Contarini war und das Haus nicht mehr verlassen hat.»
Sivry lächelte. «Ein Alibi, das Sie zweifellos überprüfen werden.»
«Bossi kümmert sich bereits darum. Troubetzkoy hat übrigens zugegeben, dass er Provisionen genommen hat. Er hat sehr gelassen auf diesen Vorwurf reagiert, und ich hatte nicht den Eindruck, dass sich daraus ein plausibles Motiv ergibt, Kostolany zu tö ten. Das mit dem Dossier für den Botschafter in Wien hält er für ein Gerücht, das Kostolany in die Welt gesetzt hat. Spaur ist auch gar nicht davon angetan, dass wir Troubetzkoy verdächtigen.»
«Was hat er gesagt?»
«Dass Troubetzkoy und Toggenburg alte Bekann te sind. Und dass er keinen Ärger mit dem Stadtkommandanten will.»
Sivry nickte nachdenklich. «Eine rechtswidrige Durchsuchung des Schiffes kommt also nicht in Frage.»
«Es sei denn, wir sind uns sicher, dass sich der Tizian tatsächlich auf dem Schiff befindet. Wenn wir das Bild finden, ist Troubetzkoy erledigt. Dass die Durchsuchung rechtswidrig war, dürfte dann keine Rolle mehr spielen.»
«Was haben Sie vor?»
Das, dachte Tron, war jetzt in der Tat die Frage.
Die Vorstellung, der Karenina einen nächtlichen Besuch abzustatten, ein vermutlich harmloses Schloss zu knacken und den Tizian sicherzustellen hatte etwas ungemein Reizvolles. Andererseits konnte bei einem nächtlichen Kommandounternehmen alles Mögliche schief gehen. Tron zuckte die Achseln. «Mit meinem Sergente zu reden. Der wartet auf der Questura.
Wenn die Großfürstin gelogen hat, werden die Karten neu gemischt.»
Bossi, der auf der anderen Seite von Trons Schreibtisch in der Questura Platz genommen hatte, schien heute besonders viel Sorgfalt auf seine
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