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Gondeln aus Glas

Gondeln aus Glas

Titel: Gondeln aus Glas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicolas Remin
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echte Königin als falsche Signora Caserta in Venedig aufhält. Wir würden im Grunde kaum etwas verändern, wenn wir Leinsdorf eine …»
    «Eine falsche Signora Caserta präsentieren würden?»
    «Sie ist eine falsche Signora Caserta», sagte Tron.
    «Wir würden gewissermaßen eine Fälschung fälschen. Es gibt keine echte Signora Caserta.»

    Die Contessa hob das Kinn. Ein Lichtoval glitzerte in schrägem Winkel über ihr Gesicht, während sie langsam den Kopf schüttelte. Tron bezweifelte, dass sie ihn verstanden hatte.
    «Ich will keine Fälschung», sagte die Contessa. Ihre Stimme war eiskalt und schloss jeden Widerspruch aus. «Ich will die Königin.»

34
    Dass etwas nicht stimmte, merkte Tron, als seine Hand noch auf der Klinke lag. Näher tretend sah er, dass die rechte Seite von Spaurs Schreibtisch, wo normalerweise die hellblaue Pappmachégondel mit dem Konfekt ihren Platz hatte, mit Akten bedeckt war. Die beiden in silbernen Rahmen aufgestellten Bilder Signorina Violettas waren durch eine Schreibtischgarnitur ersetzt worden, eine Konstruktion aus rötlichem Marmor, mit einer länglichen Vertiefung für die Federhalter und zwei runden Vertiefungen für Tintenfass und Streusandbüchse.
    Vor Spaur lag eine umfangreiche Akte und daneben  – so als sei er gerade benutzt worden – ein hölzerner Federhalter. Dazu passte, dass Spaur sich einen Ärmelschoner über seinen linken Ellbogen gezogen und seine hellgrüne, künstlerische Halsbinde durch ein unauffälliges Exemplar aus braunem Atlas ersetzt hatte.

    Die Handbewegung, mit der der Polizeipräsident Tron aufforderte, Platz zu nehmen, war müde und resigniert – es war die Handbewegung eines Mannes, den die gewissenhafte Erfüllung seiner Pflichten an den Rand der Erschöpfung befördert hatte.
    «Wissen Sie, wer eben hier war?» Spaur lächelte säuerlich und beantwortete die Frage gleich selbst.
    «Toggenburg hat mir einen Besuch abgestattet.»
    Tron starrte Spaur an. «Der Stadtkommandant?»
    Der wütende Blick, den Spaur über den Tisch  warf, besagte deutlich, wem er die Schuld an diesem Besuch gab. «Ich hatte gerade noch Zeit, ein bisschen aufzuräumen.»
    «Und was wollte Toggenburg hier?»
    Spaur seufzte. «Mir ein paar Fragen stellen. Zum letzten Stand der Ermittlungen im Mordfall Kostolany.»
    «Dass er höchstpersönlich in die Questura kommt, ist ungewöhnlich», sagte Tron.
    «Das hat Toggenburg auch von Ihren Ermitt lungsmethoden gesagt. Er fand es ungewöhnlich, dass Sie einem hohen Offizier befreundeter Streitkräfte einen Mord unterstellen.» Er zog die Schublade seines Schreibtisches auf, förderte ein rosa eingewickeltes Praliné zutage und wickelte es aus. «Ohne den geringsten Beweis zu haben.»
    Tron runzelte die Stirn. «Oberst Orlow ist bei Toggenburg gewesen?»
    «Überrascht Sie das?»
    «Der Oberst hatte angedeutet, dass er zu Toggenburg gehen würde. Ich habe nicht geglaubt, dass er es ernst meint.»
    «Offenbar haben Sie ihn gestern Nachmittag  ziemlich in die Mangel genommen.»
    «Was hat Toggenburg für ein Interesse daran,  Oberst Orlow zu decken?»
    Spaur sah Tron an wie einen Schwachsinnigen.
    «Das kann ich Ihnen beantworten, Commissario.
    Alles, was die Regierung in Turin schwächt oder militärische Kräfte im Süden bindet, wird in Wien begrüßt. Toggenburg möchte nicht, dass Orlow sich womöglich an das Hauptquartier in Verona wendet.
    Oder die Königin ihre kaiserliche Schwester telegrafisch bittet zu intervenieren.» Das Praliné verschwand in Spaurs Mund, und es knackte leise, als Spaur zubiss. Dann sagte er: «Ist Ihnen eigentlich die Rechtslage klar?»
    «Offiziere befreundeter Streitkräfte fallen nicht in die Zuständigkeit der zivilen Polizei.»
    Der Polizeipräsident klang etwas undeutlich, was daran lag, dass er sein Praliné mümmelte. «Also hätten Sie Orlow in Ruhe lassen müssen. Sie hatten doch ein wunderbares Ergebnis. Einen Täter, der anschließend vom Gerüst fällt. Ende der Ermittlungen, kein Prozess. Alle wären zufrieden gewesen und hätten Ihre Effektivität bewundert.»
    «Pater Terenzio war unschuldig.»
    «Was Ihr Sergente aus diesen, äh …»
    «Tatortfotos.»
    «Herausgelesen haben will», sagte Spaur. Sein Kopf bewegte sich hin und her, und er verdrehte die Augen. «Ich frage mich, wann er anfängt, im Kaffeesatz zu lesen. Was haben Sie vor?»
    «Nach Beweisen zu suchen, dass Orlow vor zwei Monaten in Venedig war. Wenn wir einen Hinweis dafür finden, dann …»
    «Kommen Sie

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