Gondeln aus Glas
erst mal zu mir. Diese Angelegenheit erfordert Fingerspitzengefühl und politische Weitsicht.» Spaur lehnte sich zurück. «Abgesehen davon, bin ich überzeugt davon, dass Oberst Orlow unschuldig ist. Rein intuitiv.» Spaur warf den Kopf in den Nacken und schloss entrückt die Augen – sein künstlerischer Gesichtsausdruck.
«Orlows Alibi für den Zeitraum unmittelbar nach dem Besuch im Palazzo da Lezze ist dünn.»
Ein Einwand, den Spaur nicht gelten ließ. «Toggenburg hat mir versichert, dass Oberst Orlow ein Ehrenmann ist.»
«Und wenn sich herausstellt, dass er tatsächlich vor zwei Monaten in Venedig war?»
«Könnte das gute Gründe gehabt haben. Vielleicht ging es wieder um Waffenlieferungen.»
«Der Königin gegenüber hat Orlow diese Vene digreise nicht erwähnt.»
«Ob der Oberst vor zwei Monaten in Venedig war, ist unwichtig», sagte der Polizeipräsident unwirsch. «Ich habe Toggenburg zugesagt, dass die Akte geschlossen wird.» Um seinen Worten Nachdruck zu verleihen, klappte Spaur die Akte, mit der er seinen Schreibtisch dekoriert hatte, demonstrativ zu.
«Wie soll ich das verstehen?»
«Ganz einfach, Commissario.» Jetzt war die Stimme Spaurs kalt und ungeduldig. «Ihr Bericht wird zu dem Schluss kommen, dass Pater Terenzio diesen Kunsthändler ermordet hat.» Er beförderte die Akte, die er zugeklappt hatte, auf den Stapel. «Abgesehen davon, haben Sie noch einen anderen Fall zu lösen.»
Da hatte Spaur allerdings Recht. Tron seufzte.
«Ich weiß. Den Potocki-Fall.»
Spaur verdrehte die Augen, was bedeuten sollte: Kommen Sie mir doch nicht mit solchen Kleinigkeiten. Er sagte: «Den Violetta-Fall, Commissario. Wir haben uns am Donnerstag darüber unterhalten.»
Spaur lächelte eiskalt. «Sie hatten also genug Zeit, etwas zu unternehmen.»
Herr im Himmel – der Violetta-Fall! Tron holte tief Luft. Natürlich hatte er noch nichts unternommen. Er hatte noch nicht einmal daran gedacht.
«Und mir vielleicht», fuhr Spaur fort, «etwas zur Herkunft des riesigen Blumenstraußes zu sagen, der für Signorina Violetta im Malibran abgegeben worden ist.»
Tron fragte, um Zeit zu gewinnen: «Hat Signorina Violetta etwas dazu gesagt?»
Spaur zuckte die Achseln. «Nur, dass die Blumen von ihrem Verehrer stammen.»
«Dem gut situierten Herrn?»
Spaur nickte. «Der Strauß kam ohne ein Kärt chen. Die Garderobiere hat ihn in Empfang genommen.»
«Einen Namen hat Signorina Violetta immer noch nicht genannt?»
Spaur schüttelte den Kopf. «Nein.»
Ohne nachzudenken, sagte Tron: «Wir sind bereits dabei, den Absender des Blumenstraußes zu ermitteln.»
Das war ein Satz, den Tron sofort wieder bereute, denn Spaur runzelte die Stirn. «Sie wussten von den Blumen?»
Jetzt konnte er, fand Tron, nicht mehr zurück.
«Wir hatten einen Mann», sagte er langsam, «am Bühneneingang des Malibran postiert. Der Blumenstrauß, mit dem Signorina Violetta das Theater nach der Vorstellung verlassen hat, ist ihm nicht entgangen.»
«Ist der Mann zuverlässig?»
Tron nickte. «Absolut. Selbstverständlich weiß er nicht, worum es geht.» Das konnte der Mann auch schlecht, weil er nicht existierte. «Er hat nur die Aufgabe», fuhr Tron fort, «ein Bewegungsprofil zu ermitteln.»
Ein schönes Wort, das er von Sergente Bossi gelernt hatte und das seine Wirkung auf Spaur nicht verfehlte.
Spaur machte ein irritiertes Gesicht. «Bewegungsprofil?»
Da konnte Tron gleich noch ein Wort aus Bossis Wortschatz anbringen. Er sagte: «Damit erfasst man die Bewegungen der Zielperson und sucht dabei nach Mustern. Wohin sich die Zielperson zu einem bestimmten Zeitpunkt begibt. Gegebenenfalls, mit welchen anderen Personen sie Kontakt hatte.»
Bei dem Wort Kontakt beugte sich Spaur nervös nach vorne. «Ist Violetta allein nach Hause gegangen?»
Eine völlig berechtigte Frage. War sie allein nach Hause gegangen oder nicht? Vielleicht hatte sie ja der gut situierte Herr nach Hause begleitet? Jetzt, dachte Tron, durfte er auf keinen Fall einen Fehler machen.
Was hatte Spaur vorhin über die Intuition gesagt und seinen Kopf dabei künstlerisch in den Nacken geworfen? Ja, richtig. Dass sie entscheidend für die Polizeiarbeit war. Dem konnte Tron nur zustimmen, denn seine Intuition sagte ihm auf einmal, dass …
Fast wäre er in Gelächter ausgebrochen. Den gut situierten Herrn gab es nicht. Der gut situierte Herr und der Heiratsantrag – wieder musste er ein Lachen unterdrücken – war eine Erfindung Signorina
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