Gone 4: Rache
sollten. In ihren Ohren dröhnte es und aus irgendeinem Grund war ihre Brust voller Blut.
Drakes Schädel lachte lautlos.
Brianna lag da und sah hilflos zu, wie sich die Beine und das untere Drittel des Rumpfs zu verändern begannen. Das waren nicht mehr Drakes Beine, sondern die pummeligen Beine eines Mädchens.
Drakes Kopf schrie stumm. Sein Tentakel schrumpfte.
Jamal kam wie ein Schlafwandler zu ihnen, das rauchende Gewehr an seiner Seite.
Brianna konnte sehen, welche Worte Drakes Lippen formten: »Töte sie.« Aber ohne Lunge kam kein Ton heraus.
Die Körperteile bewegten sich aufeinander zu. Die Arme eines Mädchens tappten über den Boden und fanden, was nun wieder Brittneys Kopf war, hoben ihn auf und setzten ihn an seinen Platz zwischen den Schultern. Die Beine stießen sich über den Boden, bis auch das untere Drittel wieder dort war, wo es hingehörte.
Brianna sah zu, unfähig, sich zu rühren oder einen klaren Gedanken zu fassen. Das Letzte, was sie sah, war Jamal, der ihren Draht benutzte, um Brittney die Hände hinter dem Rücken zu fesseln. Er riss einen Ärmel von seinem Hemd, ballte ihn zu einem Knebel zusammen und stopfte ihn Brittney in den Mund. Dann wandte er sich an Brianna. Durch das Rauschen in ihren Ohren konnte sie seine Worte kaum hören. Und noch weniger verstand sie, was sie hörte.
»Ich könnte dich töten«, sagte Jamal. Er richtete das Gewehr auf sie und hielt den Lauf nur einen Zentimeter von ihrem Gesicht entfernt. »Drake wird gewinnen. Aber falls nicht, vergiss nicht, dass ich dich hätte töten können.« Er schulterte sein Gewehr. »Und dass ich es nicht getan habe.«
Ein paar Minuten später erschienen Edilio und Ellen, beide trugen ein Gewehr. Doch da waren Jamal und Brittney längst über alle Berge.
Edilio kniete sich neben Brianna. In seinen dunklen Augen erblickte sie Sorge und Mitgefühl und in ihrem wirren Zustand mochte sie ihn sehr dafür.
»Ellen, hol Lana! Schnell!«, befahl er.
Dann wandte er sich wieder an Brianna. »Ist er weg?«
Die Stimme wollte ihr nicht gehorchen. Doch nach ein paar Versuchen gelang es ihr zu sagen: »Muss … Sam holen. Sam. Ich … ich kann Drake nicht besiegen.«
Edilios Miene verdüsterte sich. »Ja, das wäre eine gute Idee.« Er untersuchte die blutende Wunde an ihrer Schulter. »Aber keiner weiß, wo Sam ist.«
»Jamal …«, flüsterte Brianna.
Weiter kam sie nicht. Der Marmorboden unter ihr schien aufzugehen und sie spürte, wie ein Strudel sie in die pechschwarze Tiefe zog.
Lance stürzte ins Zimmer.
»Drake ist frei!«, rief er.
Turk, der früher Zils Nummer eins gewesen war – zumindest hatte er sich dafür gehalten – und jetzt die spärlichen Reste der Human Crew anführte, zuckte bloß die Schultern. »Na und?«
Die Human Crew hatte sich formiert, um für die Rechte der Normalen einzutreten. Gegenüber den Freaks. Das war ihr Programm gewesen. Doch nach allem, was geschehen war, hatten die meisten anderen sie als Nazitruppe abgeschrieben.
Lance ging auf Turk zu, der auf dem versifften Sofa lag, packte ihn an den Schultern und zog ihn in eine aufrechte Sitzposition. »Mann, begreifst du nicht, was das bedeutet?«
Nein, Turk begriff es nicht. Er konnte Lance nicht einmal richtig leiden. Okay, sie waren Kumpel, aber auch nur, weil sie beide auf Zils Karren aufgesprungen waren. Gebracht hatte es ihnen nichts, außer dass sie jetzt den miesesten Job machen durften, den Albert für sie finden konnte: Senkgruben ausheben und später wieder zuschaufeln, wenn sie voll waren.
Sie waren Kloschaufler. Die Scheiß-Crew, wie sie von den anderen Kids neuerdings genannt wurden.
Sie mussten Albert in den Arsch kriechen, wenn sie essen wollten. Dabei hatten sie noch Glück gehabt, nicht verbannt worden zu sein. Turk hatte den Rat belabert, hatte gebettelt und gefleht, damit sie nicht in die Wildnis geschickt wurden. Am Ende hatte er sie überzeugen können, dass es besser war, ihm und den anderen der Human Crew eine letzte Chance zu geben.
Die Schuld für den Brand hatte er allen möglichen Leuten in die Schuhe geschoben. Hatte gelogen wie gedruckt und in einem fort gesagt: »Wir können nichts dafür. Ich nicht und Lance auch nicht, keiner von uns. Zil und Hank haben uns gezwungen. Mann, Hank war gefährlich, das wisst ihr. Er war verrückt. Er hätte uns glatt abgeknallt.«
Turk hatte gewinselt. Und geweint. Und am Ende Edilio, vor allem aber Albert überzeugen können, dass sie keinen Ärger mehr machen würden,
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