Gone 5: Angst (German Edition)
Leben am See abspielte.
Tatsächlich, Sam, Jezzie und Sinder waren bereits auf dem Weg zu ihnen und kamen rasch näher.
Erst als Howard sich wieder zu Orc umwandte, bemerkte er die Verfärbung an der Wand. »Was ist das?«
»Der Grund, warum sie Sam holen.«
Sam und die Mädchen waren jetzt bei ihnen. Sam nickte Howard zu und begrüßte Orc. Dann trat er an die Barriere und betrachtete den schwarzen Zacken, der hinter Orcs Felsen die Wand hinaufstieg.
»Ist das die einzige Stelle?«, fragte er Sinder.
Sinder zuckte die Achseln. »Keine Ahnung.«
Sam und die Mädchen folgten der Barriere zum See. Howard, erleichtert, dass Sam den Rucksack nicht bemerkt hatte, lief ihnen hinterher.
»Was kann das sein?«, fragte er.
»Da ist noch so was!« Sam zeigte auf eine schwarze Delle in Bodenhöhe. Er ging weiter bis zum Seeufer, wo sich der nächste schwarze Fleck gebildet hatte, diesmal in Form einer dicken wellenförmigen Linie.
Er fluchte leise, dann wandte er sich an Howard. »Sind dir diese Dinger schon mal irgendwo aufgefallen?«
Howard zuckte mit den Schultern. »Ich würde sie wahrscheinlich gar nicht bemerken. Außerdem lauf ich nicht an der Barriere entlang.«
»Nein, du läufst nur zwischen deiner Brennerei in Coates und dem See hin und her.«
Howard begann zu frösteln.
»Denkst du, ich weiß nicht Bescheid? Dir ist doch klar, dass sie auf der anderen Seite liegt. In Caines Territorium. Wenn er dich da drüben erwischt, steckst du in der Scheiße, Mann. Außer, du teilst den Gewinn mit ihm.«
Howard beschloss, nichts zu erwidern.
Sam musterte den Fleck. »Er wird größer. Ich habe gerade gesehen, wie er gewachsen ist.«
»Ich auch«, sagte Sinder.
Ihr Blick bettelte förmlich nach einer Erklärung. Sie fürchtete sich und wollte, dass Sam sie beruhigte.
Merkwürdig, dachte Howard, denn ihm ging es genauso. Er und Sam hatten sich von Anfang an nicht gemocht und manchmal fetzten sie sich immer noch. Aber jetzt wünschte er sich nur, dass Sam eine simple Erklärung für diesen Fleck parat hatte und ihm die Angst nahm.
Sams Gesichtsausdruck war aber keineswegs beruhigend.
»Was ist das?«, fragte Howard noch einmal.
Sam schüttelte langsam den Kopf. Er wirkte auf einmal viel älter als fünfzehn. Zum ersten Mal konnte Howard ihn sich als alten Mann vorstellen – grauhaarig und mager, das Gesicht voller Falten. Gezeichnet von allem, was er durchgemacht hatte.
Howard verspürte den lächerlichen Wunsch, Sam einen Drink anzubieten. Der Junge sah aus, als könnte er dringend einen gebrauchen.
Sieben
36 Stunden, 19 Minuten
Astrid hatte die Anhöhe im Westen erreicht und blickte zum See hinunter. Die Barriere lief mitten hindurch, teilte ihn in zwei Hälften. Ihr weiterhin zu folgen, würde einen Umweg bedeuten, da sich das Seeufer hier landeinwärts wölbte. Es wäre ohnehin bald zu dunkel, um den Fleck noch länger beobachten zu können. Höchste Zeit also, die kleine Siedlung anzupeilen.
Sie war nicht mehr als ein Kreis aus Zelten und Wohnwagen, in dessen Mitte ein Lagerfeuer brannte. Ab und zu huschte eine Gestalt an den Flammen vorbei, doch Astrid war noch zu weit weg, um einzelne Gesichter zu erkennen.
Sie war angekommen. Verdrängte Gefühle stiegen erbarmungslos in ihr auf. Sie würde Sam sehen. Und die anderen Kids. Sie würden sie angaffen und hinter ihrem Rücken tuscheln. Manche würden ihr Vorwürfe machen, sie vielleicht sogar beschimpfen.
Damit konnte sie umgehen, das wäre kein Problem. Aber Sam zu sehen? Jetzt, so kurz davor, bekam sie Angst.
Sie rückte ihren Rucksack zurecht, nahm das Gewehr von ihrer schmerzenden rechten Schulter, verlagerte es auf die linke und marschierte los.
Um sich abzulenken, stellte sie sich eine Aufgabe: Wie könnten sie die Geschwindigkeit berechnen, mit der sich der dunkle Fleck ausbreitete? Mit einer Digitalkamera wäre das ganz einfach. So aber bräuchten sie Größenmessungen von fünf verschiedenen Standorten, deren Änderungen sie Tag für Tag miteinander vergleichen müssten, um halbwegs brauchbare Daten zu erhalten.
Plötzlich ertönte eine Stimme aus den Schatten. »Wer ist da?«
»Immer mit der Ruhe«, erwiderte Astrid.
»Sag, wer du bist, oder ich schieße!«
»Ich bin’s, Astrid.«
»Das glaub ich nicht.« Hinter einem Gebüsch trat ein Junge hervor, der höchstens zehn war. Sein Gewehr war auf sie gerichtet, sein Finger lag jedoch neben dem Abzug.
»Bist du das, Tim?«
»Ich dachte, du wärst tot«, erwiderte der
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