Gone 5: Angst (German Edition)
Loch in Nummer fünf.
Da hörte er Pat hinter sich fragen: »Was ist los?«
Blake schwieg.
»Er hatte so ein …« Diana verzog das Gesicht und fügte hinzu: »Keine Ahnung, was es war.«
»Ein Monster«, sagte Blake.
»Mann, du hast mich halb zu Tode erschreckt«, schimpfte Pat. »Ich meine, spielt, was ihr wollt, aber schreit nicht so rum, wenn ich auf dem Scheißhaus sitze.« Er stampfte wütend davon.
Diana schimpfte nicht mit Blake. »Wo ist deine Freundin? Wie war noch mal ihr Name?«
Blake schüttelte wie mechanisch den Kopf. »Weiß nicht. Schätze, sie ist weg.«
Orc saß auf einem Felsen, hielt ein Buch in der Hand und las.
Die Tatsache, dass er las, war für Howard immer noch nicht zu fassen.
Orc und Howard waren mit Sam zum See gegangen. Sam konnte einem zwar gehörig auf den Wecker gehen, aber im Unterschied zu Caine war er keiner, der einen kurzerhand durch eine Wand schleuderte.
Das Problem war nur, dass der Großteil der trinkenden und Drogen konsumierenden Bevölkerung in Perdido Beach geblieben war. Und dass sich Howards Schnapsbrennerei in Coates befand, also einen Gewaltmarsch vom See entfernt. Und den schaffte er höchstens mit zehn, zwölf Flaschen im Rucksack.
Orc könnte natürlich viel mehr tragen. Aber Orc weigerte sich. Las lieber. Die Bibel.
Ein betrunkener Orc war unberechenbar. Depressiv oder sogar lebensgefährlich. Ein nüchterner Orc hingegen war zu nichts zu gebrauchen.
Orc bewachte Sinders kleine Farm. Die meiste Zeit über saß er aber auf seinem Felsen und las.
Sinders Farm war kaum größer als der Garten einer Villa. Ein keilförmiges Stück Land, das früher, als es in den Bergen noch regnete und das Wasser die Hänge bis zum See hinabfloss, ein Bachbett gewesen sein musste.
Orc hatte geholfen, schmale Kanäle anzulegen, die sich mit dem Wasser aus dem See füllten und die sorgfältig angelegten Pflanzenreihen bewässerten.
Sinder und Jezzie kamen jeden Tag und waren von früh bis spät mit ihren Pflanzen beschäftigt.
Orc war nicht mehr nur tagsüber, sondern neuerdings auch nachts hier. Er schlief in einem kleinen Zelt, das neben seinem Felsen stand.
Howard hatte schon ein paarmal bei ihm übernachtet. Zum einen lag ihm wirklich etwas an ihrer Freundschaft und zum anderen hoffte er insgeheim, Orc von seinem Tugendpfad abbringen zu können.
Nicht weil ihm Orc betrunken lieber war, sondern weil er mit dem nüchternen, Bibel lesenden Orc absolut nichts anfangen konnte. Im nüchternen Zustand weigerte sein Freund sich, andere einzuschüchtern und Schulden einzutreiben. Und er half ihm auch nicht mehr, den Schnaps zu schmuggeln.
»Was ist ein Sanftmütiger ?«, fragte Orc und wollte ihm die Stelle zeigen.
Howard stieß seine Hand weg. »Mann, ich weiß auch so, was es bedeutet. Schwach. Erbärmlich. Armselig. Ein bedauernswerter Trottel. Ein Opfer. Ein dämlicher Bibel lesender Idiot, der wie ein Monster aussieht. Das ist damit gemeint.«
»Weil hier steht, dass die Sanftmütigen selig sind.«
»Ja«, erwiderte Howard zynisch. »Soll heißen: Am Ende gewinnen immer die Waschlappen.«
»Sie werden das Erdreich besitzen«, sagte Orc. »Was soll das sein, das Erdreich ?«
»Mann, du machst mich fertig.«
Orc rückte ein Stück zur Seite, damit das Licht der untergehenden Sonne ins Buch fiel.
»Wo sind Farmer Goth und Farmer Emo?«
»Sam holen«, brummte Orc.
»Sam? Und das sagst du mir erst jetzt?« Hektisch blickte sich Howard nach einem Versteck für seinen Rucksack um. Er hatte eine Lieferung dabei. Sam strengte sich zwar nicht sonderlich an, seinen Geschäften den Hahn abzudrehen, aber vielleicht würde er den Stoff beschlagnahmen.
»Ich glaube, Erdreich steht für die Welt«, sagte Orc.
Howard schob seinen Rucksack hinter ein Gebüsch und trat einen Schritt zurück, um sich zu vergewissern, dass von ihm nichts mehr zu sehen war. »Genau, Mann. Die Welt gehört den Schwachen. Die Hasen werden über die Kojoten herrschen. – Sei kein Idiot, Orc!«
Früher hätte Howard es nie gewagt, Orc zu reizen. Er sah, wie Orc die Augen zusammenkniff – sie gehörten zu den wenigen menschlichen Merkmalen, die dem steinernen Koloss geblieben waren – und wünschte sich beinahe, Orc würde aufstehen und ihm eine runterhauen.
Orc blickte ihn aber bloß an und sagte: »Du weißt aber schon, dass es viel mehr Hasen als Kojoten gibt?«
Howard seufzte tief. »Wieso holen die Mädchen Sam?«, fragte er ausweichend und blickte in Richtung Marina, wo sich das
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