Gone 5: Angst (German Edition)
hätte sich monatelang allein im Wald herumgetrieben.«
»Stimmt. Ich … ich habe Buße getan.«
Edilio lächelte sie liebevoll an. »Im alten Stil, was? Wie ein Eremit. Oder ein Mönch. Heilige Männer und Frauen gehen in die Wildnis, um mit sich und der Welt Frieden zu schließen.«
»Ich bin nicht heilig.«
»Aber du hast mit dir Frieden geschlossen.«
Astrid holte tief Luft. »Ich habe mich verändert. Wenn man den Spitznamen ›Astrid, das Genie‹ trägt, fällt es einem schwer zuzugeben, dass man sich geirrt hat.« Sie lächelte müde. »Ich habe aber auch begriffen, dass ich da draußen nicht glücklicher bin, obwohl das vielleicht das falsche Wort ist. Darum geht es nämlich gar nicht. Aber ich war ehrlich. Ehrlich zu mir selbst.«
»Willst du andeuten, dass ich das nicht bin?«
Astrid schüttelte den Kopf. »Nein, nein, überhaupt nicht. Ich habe mich nur vorher selbst belogen.«
Edilio stand auf. »Ich muss wieder raus.« Er trat an sie heran und drückte sie an sich.
»Ich bin froh, dass du wieder hier bist, Astrid. Du solltest schlafen gehen. Leg dich in Sams Koje.«
Astrid spürte, wie alle sie war, und wäre beinahe am Tisch eingeschlafen. Nur ein Nickerchen. Nicht lange. Sie stemmte sich hoch, fand Sams Koje und ließ sich hineinfallen.
Das Bett roch nach Meersalz und nach Sam. Für sie hatten die beiden Gerüche immer zusammengehört.
Sie fragte sich, mit wem er jetzt wohl zusammen war. Er hatte garantiert ein Mädchen gefunden. Und das war auch gut so, denn Sam brauchte jemanden an seiner Seite.
Sie tappte mit der Hand nach einem Kissen. Es war lange her, seit sie ein Kissen gehabt hatte, und die Vorstellung schien ihr auf einmal wie ein unglaublicher Luxus.
Anstelle eines Kissens berührte ihre Hand weiche Seide. Sie zog sie zu sich heran und strich damit über ihre Wange. Sie kannte den Stoff. Es war ihr altes Nachthemd, das hauchdünne weiße, das sie früher immer getragen hatte, als sie noch nicht in ihren Klamotten und mit dem Gewehr im Arm schlafen musste.
Ihr altes Nachthemd. Sam bewahrte es auf, bei sich im Bett.
Zehn
34 Stunden, 31 Minuten
»Ich riskiere es einfach«, sagte Sam. »Wir brauchen Licht.«
»Ja, das wäre nicht schlecht«, stimmte Dekka ihm zu.
Sam hob die Hände und bildete eine kleine Leuchtkugel, die wie eine blassgrüne Sonne in der Luft hängen blieb. Da sie mehr Schatten warf als Licht, streckte er sich nach rechts, ohne die Füße zu bewegen, und ließ dort eine zweite Kugel wachsen.
»Okay, jetzt knien wir uns ganz langsam hin und suchen den Boden um uns herum ab«, wies Sam die anderen an.
»Aaaah!«, schrie Jack plötzlich auf.
»Rühr dich nicht von der Stelle!«
»Mach ich nicht. Mein Fuß steckt in einem Draht. Oh Mann, ich muss sterben!«
Sam bildete eine dritte Kugel zu Jacks Füßen. In ihrem Schimmer wurde der straffe Draht über Jacks Schuhspitze sichtbar.
»Dekka, wie sieht es bei dir aus?«
»Alles okay, glaube ich. Jedenfalls sehe ich, wo der Draht langläuft.«
»Gut, dann gehst du jetzt rückwärts und begibst dich in Sicherheit.«
»Und wie weit wäre das?«
»Weit«, erwiderte Sam. »Jack, jetzt keine Bewegung. Ich pule den Sand unter deinem Schuh weg. Das sollte den Druck vom Draht nehmen.«
Vorsichtig schob Sam den Sand zur Seite. Zuerst nur mit den Zeigefingern, dann nahm er die Mittelfinger hinzu.
Jacks Schuh sackte um einen halben Zentimeter nach unten. Und schließlich noch ein wenig.
»Okay. Jetzt ziehst du deinen Fuß ganz langsam raus.«
»Sicher?«
»Mann, ich bin direkt neben dir«, fuhr Sam ihn an.
Jack zog seinen Fuß zurück. Nichts explodierte.
»So. Und jetzt alle zurück.«
»Hey! Was macht ihr da?« Brianna stand auf dem Rand der Klippe. »Was soll das Licht? Ich dachte, wir …?«
»Bleib, wo du bist!«, schrie Dekka.
»Schon gut. Kein Grund, so zu brüllen.«
Sam erklärte ihr, was los war. »Wir können die Sprengfalle nicht einfach hierlassen. Stellt euch vor, jemand kommt zufällig vorbei und hat keine Ahnung. Wir müssen sie entweder entschärfen oder zur Explosion bringen.«
»Da ich hier der Techniker bin«, meinte Jack, »und die Entschärfung einer Sprengfalle ein technisches Problem ist, bin ich dafür, dass wir sie aus sicherer Entfernung in die Luft jagen.«
»Jetzt komm schon, Jack, sei kein Waschlappen«, zog Dekka ihn auf.
»Brianna!«, rief Sam. »Sieh nach, ob du irgendwo ein Seil oder eine lange Schnur auftreiben kannst.«
Brianna verschwamm und war weg.
Lange
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