Gone Girl - Das perfekte Opfer: Roman (German Edition)
geirrt habe – womöglich sind sie doch harmlos, und ich bin paranoid. Ich möchte es gerne glauben.
»Klar, natürlich«, sagt Jeff. Sie schlurfen aus meiner Hütte, Jeff nimmt unterwegs sein Bier mit. Eine Minute später höre ich Ellen Abbott aus Gretas Hütte schimpfen. Die anklagenden Fragen. Warum hat er …? Warum hat er nicht …? Wie können Sie erklären, dass …?
Ich darf nicht gefunden werden. Wenn man mich jemals finden würde, wäre ich schlagartig die meistgehasste Frau auf dem ganzen Planeten. Nicht mehr das schöne, liebe, schicksalsgeprüfte Opfer eines egoistischen, betrügerischen Mistkerls, sondern die verbitterte Schlampe, die das gute Herz ihrer amerikanischen Mitbürger schamlos ausgenutzt hat. Garantiert würde Ellen Abbott mir eine Sendung nach der anderen widmen: »Sie ist einfach eine dieser verwöhnten reichen Gören, die meint, sie kann tun, was sie will, und keinen Gedanken an die Gefühle anderer Menschen verschwendet. Und ich finde, sie sollte für den Rest ihres Lebens verschwinden – im Gefängnis!« Ungefähr so würde sich das anhören. Im Internet habe ich widersprüchliche Informationen über die Strafen gefunden, die darauf stehen, wenn man den eigenen Tod vortäuscht oder seinem Ehemann den besagten vorgetäuschten Tod anzuhängen versucht, aber ich bin ganz sicher, dass die öffentliche Meinung brutal ausfallen wird. Ganz gleich, was ich danach tue – ob ich Waisenkindern zu essen gebe oder mit Leprakranken schmuse –, wenn ich sterbe, wird man sich an mich erinnern als »Die Frau, die ihren Tod vorgetäuscht hat und ihrem Ehemann einen Mord anhängen wollte«.
Das kann ich nicht zulassen.
Stunden später bin ich immer noch wach, sitze im Dunkeln und denke nach, da klappert meine Tür, ein sanftes Klopfen, Jeff. Ich debattiere kurz mit mir, dann öffne ich ihm, bereit, mich für meine Unhöflichkeit von vorhin zu entschuldigen. Er zupft an seinem Bart, starrt auf die Fußmatte und schaut mich dann mit bernsteinfarbenen Augen an.
»Dorothy hat gesagt, du suchst Arbeit«, sagt er.
»Ja, glaub schon.«
»Ich hab etwas für heute Nacht, fünfzig Dollar würden für dich dabei rausspringen.«
Amy Elliott Dunne würde ihre Hütte niemals für fünfzig Dollar verlassen, aber Lydia und/oder Nancy braucht Arbeit. Also muss ich Ja sagen.
»Zwei Stunden, fünfzig Dollar«, wiederholt er achselzuckend. »Macht für mich keinen Unterschied, hab nur gedacht, ich biete es dir an.«
»Was ist das für Arbeit?«
»Fischen.«
Ich hätte gewettet, dass Jeff einen Pickup fährt, aber er führt mich zu einem glänzenden Ford mit Schrägheck, ein herzzerreißendes Auto, das Auto eines Collegestudenten, der nach dem Abschluss große Zukunftspläne und ein beschränktes Budget hat, kein Auto für einen erwachsenen Mann. Wie angewiesen habe ich unter meinem Sommerkleid meinen Badeanzug an. (»Nicht den Bikini, den Badeanzug, in dem du richtig schwimmen kannst«, hatte Jeff erklärt; ich habe ihn nie in der Nähe des Pools gesehen, aber er kannte meine Badesachen ganz genau, was gleichzeitig schmeichelhaft und alarmierend war.)
Er lässt das Fenster offen, während wir über die waldigen Hügel fahren, und der Kiesstaub legt sich auf meine kurzgeschnittenen Haare. Ich komme mir vor wie in einem Countrymusik-Video: Das Mädchen im Sommerkleid beugt sich aus dem Autofenster, hinaus in die nächtliche Brise eines Bundesstaats, in dem vornehmlich die Republikaner gewählt werden. Ich kann die Sterne sehen. Jeff summt, verstummt, summt wieder.
Schließlich parkt er ein Stück die Straße hinunter vor einem Restaurant, das auf Pfählen auf den See hinaus gebaut ist, ein Grill-Restaurant, bekannt für seine riesigen Souvenir-Pokale mit alkoholischen Mixgetränken, die üble Namen tragen wie: Alligatorsaft, Barschmaulblitz. Das weiß ich von den weggeworfenen Bechern, die überall am Seeufer dümpeln, rissig und neonfarben und mit dem Logo des Restaurants: Catfish Carl’s. Catfish Carl’s hat eine Terrasse, die übers Wasser ragt – die Gäste können handvollweise Katzen-Trockenfutter aus den Automaten kaufen und das Zeug den Hunderten riesigen Katzenfischen ins Maul plumpsen lassen, die unter ihnen warten.
»Was genau machen wir hier, Jeff?«
»Du fängst sie, ich mach sie tot.« Er steigt aus, und ich folge ihm um das Schrägheck herum. Der Kofferraum ist mit Kühlbehältern vollgestellt. »Wir bringen sie hier rein, legen sie auf Eis, verkaufen sie weiter.«
»Wir
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